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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ihrer Vorliebe für Folter gefrönt und sie für sich behalten – nun, dann hätten sie wahrscheinlich ewig so weitermachen können.«
Terri hatte sich während seines Vortrags ein paar Notizen gemacht.
»Vorausgesetzt, sie begingen keine Fehler bei der Planung oder wurden nicht zufällig von irgendjemandem entdeckt … wären noch Jahre ins Land gegangen.«
    Sie wusste sehr wenig über diese Art von Verbrechen, auch wenn sie an der Polizeischule in Seminaren über berühmte Mordfälle und Serienmorde gesessen hatte. Nach ein paar Jahren Berufsroutine in einer kleinen Universitätsstadt mit ihrem bescheidenen Spektrum an Verbrechen waren die meisten Erinnerungen daran verblasst.
    »Wenn ich zwei identische weiße Ratten nehme und sie vor dieselbe psychologische Situation stelle – nun, dann ist es möglich, ihre unterschiedlichen Reaktionen auf identische Anreize zu überprüfen. Doch es wird immer eine deutliche Menge an Übereinstimmungen geben, die sich messen lässt.«
    Er war voller Energie gewesen. Sie vermutete, dass er sich, während er sprach, im Geist von Studenten umgeben sah, die sich in einem abgedunkelten Labor um ihn drängten und das Verhalten von Tieren beobachteten, um Muster herauszufiltern.
    »Wenn die Ratten in einer identischen Situation plötzlich von diesen Normen abweichen, dann wird es interessant.«
    Doch Jennifers Verschwinden war kein Laborexperiment.
Zumindest,
dachte sie, während sie sich im Sessel zurücklehnte,
glaube
ich
das nicht
. Sie holte tief Luft und überlegte, ob sie sich nicht irrte.
    Sie war in einer anderen Position und mahnte sich zur Vorsicht. Sie liebte ihre Arbeit, doch sie hatte auch begriffen, dass jeder Fall Einfluss auf ihre Laufbahn hatte. Ein vermasselter Fall einer Campus-Vergewaltigung, und sie führe wieder Streife. Ein einziger ungeklärter Einbruch, und in einem kleinen Revier wie ihrem würde der dunkle Fleck auf ihrer Weste erbarmungslos übertrieben. Statt ihre goldene Polizeimarke kleinen Ganoven und Studenten unter die Nase zu halten, die sich in ein schweres Verbrechen gesoffen hatten, würde sie den Telefondienst versehen.
    Ein Teil von ihr war plötzlich auf Jennifer wütend.
Verdammt! Wieso konntest du nicht einfach wie jeder andere unzufriedene Teenager Pot rauchen und abends zu spät nach Hause kommen? Wieso hast du nicht einfach getrunken und viel zu frühen, ungeschützten Sex gehabt und dich so durch die schwierigen Jahre gewurstelt? Wieso gleich von zu Hause türmen?
    Sie war erschöpft. Wären da nicht die Bilder dieser beiden toten Mörder von vor fünfzig Jahren und Jennifer gewesen, würde sie längst schlafen. Sie wollte ihr versprechen:
Ich finde dich
, doch sie wusste, wie unwahrscheinlich das war.
     
    Der Chef ihres Dezernats saß an seinem Schreibtisch. An der Wand hinter ihm hing ein Bild – der Chief in Baseball-Uniform, von Kindern umringt. Eine Meisterschaftssaison der Kinderliga. Nicht weit davon prangten eine billige, doch glitzernde Trophäe und eine gerahmte Tafel mit den Worten
Der beste Trainer aller Zeiten
mit unbeholfenen, krakeligen Unterschriften. Die übrige Wand zierten Diplome von zahlreichen Kursen; ein Berufsbildungsprogramm des FBI am State College von Fitchburg und ein Abschluss am John Jay College in New York – Letzteres, wie sie wusste, ziemlich renommiert.
    Der Chief trug bei der Arbeit gerne Uniform, doch an diesem Tag saß er ihr in einem Anzug gegenüber, der für seinen ausladenden Bauch oder seine Gewichtheberarme deutlich zu eng war. Er sah damit aus, als sei er wie eine Zeichentrickfigur, die sich mit Ballonluft füllt, kurz vor dem Platzen. Er hielt einen Kaffee in der Hand und trommelte mit dem Bleistift auf dem bescheidenen Bericht herum, den sie eingereicht hatte. »Terri«, sagte er bedächtig, »das wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet.«
    »Ja, Sir.«
    »Wollen Sie, dass wir die Trooper oder die Feds einschalten?«
    Terri hatte mit der Frage gerechnet. »Ich denke, wir sollten sie vom derzeitigen Sachstand in Kenntnis setzen. Aber ohne handfeste Beweise werden sie nur genauso frustriert sein wie ich.«
    Er trug eine Brille. Er hatte die Gewohnheit, sie ständig abzunehmen und wieder aufzusetzen – abzunehmen, wenn er sprach, und aufzusetzen, wenn er las –, so dass er unablässig in Bewegung war. »Wenn ich Sie also richtig verstanden habe …«
    »… läuft ein Teenager, der wiederholt versucht hat, von zu Hause zu türmen, zum dritten Mal weg. Ein unzuverlässiger Zeuge

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