Der Profi

Wochen niemand den Diebstahl eines neuen Focus gemeldet. Auf dem Mitschnitt ist ein Mann mit einer langen Sporttasche oder etwas Ähnlichem zu erkennen, der aus dem Wagen steigt. Später sieht man, wie er wieder davonfährt. Doch bevor du in Jubelgeschrei ausbrichst: Die Aufnahmequalität ist miserabel! Wir hatten zuerst die Hoffnung, dass es sich um Kirpich handelt. Eine konkrete Person zu identifizieren ist allerdings unmöglich. Für alle Fälle haben wir den größten Mietwagenfirmen ein Foto von Kirpich und eines von seinem Boss Timofeew gezeigt. Leider kann sich niemand daran erinnern, die beiden jemals gesehen zu haben.«
    »Kirpich!«, sagte Cruz erstaunt. »Dann liegen wir womöglich doch nicht ganz falsch. Wir haben gerade einen Italiener verhört, den die vory extra haben einfliegen lassen. Ich hatte ihn schon bei unserem letzten Gespräch erwähnt, Javi … Boris Iwanowitsch Tertschenko hat ihn höchstpersönlich nach Spanien geschickt! Als wir Timofeews Namen erwähnten, hätte er sich vor Schreck beinahe verschluckt. Es ist möglich, dass die Russen Timo längst im Verdacht haben …«
    »Erzähl weiter!«
    Cruz schilderte Moncada das Gespräch mit mir bis ins allerletzte Detail.
    »Also wir haben inzwischen jedenfalls den Eindruck …«, sagte Moncada. »Besser gesagt: Wir arbeiten mit der Hypothese, dass es sich um einen einzigen Mörder handelt!«
    »Und warum?«
    »Weil die drei vory andernfalls wahrscheinlich nicht an unterschiedlichen Tagen getötet worden wären. Wenn es mehrere Killer gibt, wäre es doch viel intelligenter gewesen, sich so zu organisieren, dass man die drei am selben Tag umbringt, oder nicht? Damit verhindert man, dass die anderen Zeit genug haben, sich in Sicherheit zu bringen …«
    »Klingt logisch«, befand Cruz.
    »Nach dem Mord an Tschernekow ist unser Killer also aufs Festland zurückgekehrt, hat sich die Uzis besorgt und ein Motorrad geklaut. Damit ist er zum Restaurant in der Madrider Sierra gefahren, wo Zagonek mit seiner Familie zu Abend speiste. Viel Zeit hatte der Täter natürlich nicht zur Verfügung. Vielleicht will der Typ ja auch im Guinnessbuch der Rekorde landen … Jedenfalls musste er zuerst den Mietwagen abgeben und, über den Daumen gepeilt, vor drei Uhr nachmittags ein Flugzeug erwischen. An jenem Montag flogen auf der Strecke vier Maschinen der Gesellschaft Spanair , fünf von Air Europa und eine von Air Berlin . Ergibt eine Gesamtzahl von 1575 Personen mit dem Zielflughafen Madrid. Von diesen hatten insgesamt 48 einen Ford Focus gemietet. Gott sei Dank ist der Focus nicht das beliebteste Auto unter den Mietwagen! Übrigens sind unsere Jungs von der Spurensicherung im Umkreis des Hügels, von dem aus geschossen wurde, auf Fußabdrücke gestoßen … Der vermeintliche Täter ist um die 1,80 Meter groß und wiegt weit über siebzig Kilo. Schuhgröße: 42. Das behauptet zumindest deren Computer. Die Glaubwürdigkeit dieser Angaben ist, meiner Meinung nach, allerdings gleich null, nichts als heiße Luft.«
    »Um noch mal auf die 48 Leihwagenmieter zu kommen. Sind natürlich nicht alles Spanier, oder?«
    »Exakt, Kollegin! Acht davon sind Ausländer, die nicht in Spanien ansässig sind: Deutsche, Italiener, Engländer. Wir haben die Polizei in ihren Herkunftsländern und Interpol verständigt. Verbleiben unterm Strich: 40 spanische Staatsbürger und Ausländer mit Wohnsitz in Spanien.«
    Cruz schaltete sich wieder ins Gespräch ein:
    »Ich sehe bei dem Ganzen aber einen Haken.«
    Schweigen in der Leitung.
    »Und welchen, bitte schön?«
    »Wenn der Killer unter falscher Identität gereist ist, nützen uns diese Namen reichlich wenig.«
    »Du alte Zweiflerin«, beklagte sich der Mallorquiner.
    »Ja, aber wie …?«
    »Wir haben die 48 Fords schon beschlagnahmt.«
    »Ach nee, was du nicht sagst!«
    »Glaub es mir einfach. Als wir den Antrag gestellt haben, hätte der Untersuchungsrichter beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Aber schließlich hat er ihm stattgegeben! Sieht ganz so aus, als würde der verantwortliche Staatssekretär in der Sache ordentlich Druck ausüben. Trotzdem, länger als zwei, drei Tage können wir die Fahrzeuge nicht hierbehalten. Die Mietwagenfirmen sind stocksauer und drohen mit rechtlichen Schritten. Außerdem wissen wir zurzeit kaum wohin mit dem ganzen Fuhrpark. Aber wenn wir die Untersuchung auf ein Dutzend beschränken, garantiert uns die Spurensicherung, die Fahrzeuge in Rekordgeschwindigkeit zu filzen. Mit ein wenig Glück fügen