Der Prometheus-Verrat
Teppichmessers, die an der Oberkante des Absatzes befestigt war, der sich mit einem Gewindestück problemlos mit dem Schuh verschrauben ließ.
Er warf einen Blick auf Layla. Von ihren Augen war nach wie vor nur das Weiße zu sehen, die Kinnlade hing schlaff herab; sie war immer noch bewusstlos.
Erst jetzt dämmerte ihm, dass die Klinge nicht von ungefähr in dem abschraubbaren Absatz steckte. Er untersuchte den anderen Schuh, der tatsächlich auf gleiche Weise präpariert war. Ein hübscher kleiner Trick.
Plötzlich fiel bei ihm der Groschen.
Er sah sie im Geiste in der Abstellkammer der Genfer Bank liegen, gefesselt mit jenen »humanen Arrestbändern« aus Polyurethan, wie sie die Polizei seit einiger Zeit anstelle von Handschellen verwendete. Jan Vansina, der Direktoratsagent, hatte ihr diese Fesseln angelegt. Es wäre ein Leichtes für Layla gewesen, sich davon zu befreien .
Die Sache in Genf war abgekartet gewesen .
Layla hatte mit Vansina unter einer Decke gesteckt. Sie gehörte offenbar selbst zum Direktorat. Vansina hatte die Attacke gegen sie nur vorgetäuscht; sie hatte mitgespielt und wäre jederzeit aus eigener Kraft wieder freigekommen.
Aber was hatte das alles zu bedeuten?
Am Ende des dunklen Flurs gab es einen kleinen Fahrstuhl für zwei Personen, einer, der sich über die innere Ziehharmonikatür in Gang setzen ließ. Zum Glück war niemand in der Nähe. Bryson hatte keine anderen Gäste in der Pension ankommen oder weggehen gesehen. Womöglich waren er und Layla zurzeit die einzigen.
Er hievte sie vom Boden hoch – sie wog nicht viel, war aber, weil erschlafft, schwer zu fassen –, legte seinen Arm um ihre Hüfte, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und führte sie wie eine sturzbetrunkene Ehefrau zum Fahrstuhl. Für den Fall, dass ihnen jemand über den Weg lief, hatte er sich einen Scherz über die regelmäßigen Besäufnisse seiner Frau zurechtgelegt.
Er fuhr mit ihr in den Keller hinab, wo es nach undichter Kanalisation stank, und setzte sie auf dem rohen, dreckigen Estrich ab. Nach kurzer Suche hatte er eine Art Besenkammer entdeckt, in der er Layla verstecken konnte. Mit einem Stück alter Wäschekordel schnürte er ihr Hände und Füße zusammen und achtete darauf, dass sie sich, aus der Ohnmacht erwacht, nicht von allein würde befreien können. Die Knoten waren fest, und sie hatte keine Schuhe an, geschweige denn präparierte.
Dann, als letzte Vorsichtsmaßnahme und für den Fall, dass sie allzu schnell wieder zu sich kommen und womöglich um Hilfe schreien würde, stopfte er ihr einen Knebel in den Mund und stellte sicher, dass sie trotzdem noch genug Luft bekam.
Dann schloss er die Tür ab, jedoch nicht, um andere am Eintreten zu hindern, sondern um Layla einzusperren, obwohl kaum anzunehmen war, dass sie sich aus eigener Kraft würde befreien können.
Schließlich kehrte er auf sein Zimmer zurück und bereitete sich auf das Treffen mit Richard Lanchester vor.
In einem dunklen Raum auf der anderen Seite der Erdkugel kauerten drei Männer vor einer elektronischen Konsole. Ihre konzentrierten Gesichter wurden von dem kalten grünen Licht der Leuchtdioden erhellt.
»Ein Eingang direkt von Mentor, einem unserer Satelliten aus der Intersat-Flotte«, sagte einer von ihnen.
»Und was sagt die Stimmerkennung ?«, lautete die Antwort, und der Tonfall verriet, dass der Sprecher seit vielen Stunden unter Stress stand. »Wie verlässlich ist Voicecast überhaupt?«
»Sehr verlässlich«, sagte der erste Mann. »Die Treffergenauigkeit liegt zwischen 99 und 99,97 Prozent.«
»Identifikation positiv«, meldete der dritte Mann. »Das Gespräch wurde von einem Handy aus geführt, den Koordinaten nach in Brüssel in Belgien, und wurde in Mons entgegengenommen. « Der dritte Mann verstellte einen Regler, worauf eine erstaunlich klar klingende Stimme aus einem Lautsprecher in der Konsole tönte.
»Was soll das alles?«
»Wir müssen uns unterhalten, Mr. Lanchester. Sofort.«
»Dann schießen Sie doch los. Ich höre. Was will Ihre Zeitung da gegen mich fabrizieren? Goddard, ich kenne Sie nicht, nehme aber an, Sie wissen, dass ich mit der Herausgeberin Ihrer Zeitung auf vertrautem Fuß stehe und im Ernstfall nicht zögern würde, sie anzurufen.«
»Wir müssen uns unter vier Augen sprechen. Ich bin in Brüssel und könnte in einer Stunde in der SHAPE-Zentrale
in Mons sein. Sagen Sie dem Sicherheitsposten, dass er mich durchlassen soll.«
»Sie sind in Brüssel? Ich dachte, Sie
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