Der Prometheus-Verrat
Gesprächsfetzen und Mutmaßungen anzubieten.«
»Was ich Ihnen anbiete, sollte Sie veranlassen, alle Hebel in Bewegung zu setzen«, protestierte Bryson.
»Nick, hören Sie mir zu. Und versuchen Sie, zu verstehen. Stellen Sie sich vor, ich ginge zum Präsidenten und würde ihm sagen, dass es da eine Art Krake gibt – eine gesichtslose, ominöse Organisation, deren Existenz nicht nachweisbar ist und über deren Ziele nur vage spekuliert werden kann. Wenn er mich dann nur auslachen und vor die Tür des Oval Office setzen würde, käme ich noch glimpflich davon.«
»Nein, er würde auf Sie hören. Sie sind glaubwürdig.«
»Glaubwürdig bin ich, wenn überhaupt, vor allem deshalb, weil ich allem Aktionismus skeptisch gegenüberstehe und immer wieder zur Besonnenheit mahne. Himmel, wenn im Nationalen Sicherheitsrat oder im Oval Office jemand solche haltlosen Andeutungen machte, würde ich lautstarken Protest erheben.«
»Aber Sie wissen doch…«
»Ich weiß gar nichts. Verdachtsmomente, dunkle Ahnungen, Befürchtungen – mit Gewissheit hat das nichts zu tun. Streng juristisch gesehen, können wir nicht einmal von einem hinreichenden Anfangsverdacht sprechen.«
»Mit anderen Worten, Sie wollen nichts unternehmen.«
»Das habe ich nicht gesagt. Verstehen Sie mich doch bitte, Nick. Ich gebe gern zu, dass ich großen Wert auf die Einhaltung von Spielregeln lege, aber ein Rigorist bin ich nicht, wie es mir viele vorwerfen. Und ich werde nicht die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie Fanatiker die ganze Welt in Geiselhaft nehmen. Was ich sagen will, ist: Ich brauche konkrete Anhaltspunkte, Beweise. Wenn Sie mir die liefern, verspreche ich Ihnen, dass ich alle staatlichen Kräfte mobilisiere.«
»Verdammt, dazu fehlt die Zeit.«
»Bryson, so verstehen Sie doch!«, flehte Lanchester mit verzweifelter Miene. »Ohne eindeutige Beweise läuft nichts. Besorgen Sie uns welche. Ich muss wissen, was genau geplant ist. Ich – wir alle – zählen auf Sie.«
» Ich – wir alle – zählen auf Sie .« In dem abgedunkelten Raum Tausende von Kilometern entfernt tönte Lanchesters Stimme aus der Lautsprecherkonsole. » Wie könnte ich Ihnen helfen? Was brauchen Sie? «
Einer der Zuhörer langte nach dem Telefonhörer und drückte eine Taste. Nach wenigen Sekunden meldete er im Flüsterton: »Er hat Kontakt aufgenommen. Wie erwartet.«
»Das passt ins Profil, Sir«, hieß es am anderen Ende der Leitung. »Er schaltet die höchsten Stellen ein. Es überrascht mich, dass er weder droht noch zu erpressen versucht.«
»Ich will wissen, mit wem er zusammenarbeitet und für wen.«
»Verstanden. Was er als Nächstes vorhat, wissen wir leider noch nicht.«
»Keine Sorge. Die Welt ist klein geworden. Er kann uns nicht entwischen.«
Zwei Straßenzüge von den Marolles entfernt, stieg Bryson aus dem gemieteten Wagen und ging zu Fuß in die Pension zurück. Er sah sich aufmerksam um, auf der Hut vor Dingen, die nicht ins Bild passten. Alles war wie gehabt, was ihn aber nicht beruhigen konnte. Er hatte sich schon allzu oft täuschen lassen. Das Gespräch mit Richard Lanchester war, wie er fand, ganz und gar nicht zufrieden stellend verlaufen. Musste der Präsidentenberater etwa auch in die Liste der Verdächtigen aufgenommen werden? Oder wurde er jetzt schon paranoid? Der Wahnsinn war, wie Bryson wusste, nur einen kleinen Schritt entfernt. Nein, Lanchester war beim Wort zu nehmen und schien selbst aufrichtig besorgt zu sein, konnte aber nicht auf einen bloßen Verdacht hin aktiv werden. Was auf den ersten Blick wie ein Rückschlag aussah, war in gewisser Hinsicht doch ein Schritt nach vorn. Mit Lanchester hatte Bryson nun einen mächtigen Verbündeten. Oder wenn nicht einen Verbündeten, so doch zumindest ein sympathisierendes Ohr.
Kaum hatte er die wie immer düster dreinblickende Frau an der Rezeption passiert, eilte Bryson in den Keller und suchte die Abstellkammer auf. Erleichtert stellte er fest, dass
noch abgeschlossen war. Aber weil er sich nicht noch einmal von Layla überraschen lassen wollte, zog er die Pistole, die, vom Anzugjackett überdeckt, im Gürtel steckte, stellte sich seitlich neben die Tür, drehte den Schlüssel um und stieß die Tür auf.
Layla fiel nicht über ihn her. Es blieb still.
Er riskierte einen Blick in die Kammer und sah, dass sie leer war. Die Wäscheschnur, mit der er sie gefesselt hatte, lag zerschnitten auf dem Boden.
Layla war verschwunden.
Ohne fremde Hilfe hätte sie nicht
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