Der Prometheus-Verrat
ablenken und eine Hand freibekommen müssen, möglichst die rechte, um die Vanadium-klinge aus dem Gürtel ziehen zu können. Der Befehl des Generals war eindeutig: Er sollte exekutiert werden, und die Soldaten würden ohne zu zögern schießen, wenn er sich zu befreien versuchte. Er sollte ihren Befehlsgehorsam lieber nicht auf die Probe stellen.
Warum hatte man ihn überhaupt in dieses Lager gebracht? Er sah sich in der weiten Halle um, die offenbar als Garage für Kraftfahrzeuge diente. Auf der einen Seite gab es eine enorm große Hebebühne, die wohl selbst Panzer bewegen konnte. Die Luft stank nach Motoröl und Diesel. Auf der gesamten Fläche standen dicht an dicht Militärfahrzeuge. Man hätte den Eindruck gewinnen können, in der Ausstellungshalle eines Händlers für schwere Kraftfahrzeuge zu sein. Allerdings waren die Wände hässlich mit Öl und Ruß verschmiert.
Was hatte das alles zu bedeuten? Wozu war er in diese Halle geführt worden? Man hätte ihn doch auch schon draußen töten können.
Und dann kam er von selbst auf die Antwort.
Sein Blick fiel auf einen Mann, der bis an die Zähne bewaffnet war, einen Mann, den er kannte.
Ang Wu.
Es gab in Brysons Vergangenheit nur wenige Gegner, die schon rein äußerlich so zum Fürchten waren wie dieser Ang Wu. An g Wu hatte als Offizier der Armee für Bomtec gearbeitet, der Handelsorganisation der Volksbefreiungsarmee, und war für sie als ständiger Vertreter in Sri Lanka tätig gewesen. Die Chinesen belieferten beide Konfliktparteien mit Waffen, schürten Argwohn und Zwietracht und schütteten so ihr Öl in das schwelende Feuer alter Ressentiments. Mit Hilfe einer eilig zusammengestellten Truppe hatte Bryson einen von Ang Wu angeführten Waffentransport unweit von Colombo abgefangen. Es kam zu einem Feuergefecht, in dessen Verlauf Ang Wu mit einem Bauchschuss aus Brysons Waffe niederge streckt wurde. Ang Wu hatte nur gerettet werden können, weil er schnell nach Peking ausgeflogen wurde.
Im Nachhinein, nach den bitteren Erkenntnissen aus jüngster Zeit, stellte sich für Bryson auch in dieser Sache die Frage nach den wahren Hinter gründen seines Einsatzes in Sri Lanka. Hatte er auch damals als Marionette in einem für ihn undurchsichtigen Plan gedient?
Wie auch immer, jetzt stand ihm Ang Wu gegenüber. Er trug eine chinesische AK-47 quer vor der Brust, und zu beiden Seiten der Hüfte gehalfterte Pistolen. Ketten von Maschinengewehrmunition waren wie Gürtel um seine Körpermitte geschlungen, und in Futteralen an den Waden steckten schwere Kampfmesser.
Die Hände, die Bryson bei den Schultern gepackt hielten, drückten fester zu, so dass es ihm unmöglich war, eine Hand freizubekommen und in seinen Gürtel zu langen, ohne zu riskieren, sofort erschossen zu werden. Oh Gott!
Sein alter Feind machte einen zufriedenen Eindruck. »Es gibt so viele Todesarten«, sagte Ang Wu. »Ich wusste, dass wir uns noch einmal begegnen würden, und auf dieses Treffen habe ich mich schon lange gefreut.« Er zog eine der Pistolen aus dem Halfter, eine halbautomatische Waffe aus chinesischer Produktion, wo g sie in der Hand und schien Gefallen an ihrem Gewicht zu finden. »General Tsai hat mir ein Geschenk gemacht, zum Dank für viele Jahre treue Dienste. Ein einfaches Geschenk, nämlich die Erlaubnis, dich zu töten. Höchst persönlich und ganz aus der Nähe.«
Er zeigte ein frostiges Grinsen und weiße Zähne. »Vor zehn Jahren in Colombo hast du mich um meine Milz gebracht. Wusstest du das? Fangen wir also auch bei dir damit an. Mit deiner Milz.«
Für Bryson schrumpfte die riesige La gerhalle auf einen engen Raum zusammen, einen schmalen Tunnel, in dessen beiden Öffnungen er und Ang Wu einander gegenüberstanden. Da war nichts und niemand anderes als dieser Gegner. Bryson holte langsam und tief Luft. »Unter einem fairen Kampf verstehe ich etwas anderes«, sagte er, betont ruhig.
Schmunzelnd streckte der Chinese den Arm aus und richtete die Pistole links unten auf Brysons Bauch. Als er den Sicherungshebel umlegte, sprang Bryson mit dem Mut der
Verzweiflung nach vorn, um sich den Griffen seiner Wärter zu entwinden, und plötzlich …
Er hörte einen leisen Laut, wie ein verhaltenes Husten oder eher ein Spucken, und in An g Wus breiter Stirn klaffte ein kleines rotes Loch. Er glitt zu Boden, wie ein Betrunkener, der in Ohnmacht fällt.
» Aiya! «, schrie einer der Wachmänner und wirbelte auf dem Absatz herum, um gleich darauf ebenfalls tödlich am Kopf
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