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Der Prometheus-Verrat

Der Prometheus-Verrat

Titel: Der Prometheus-Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Er hatte ihr einige Dinge verheimlicht – insbesondere einen wichtigen Vorfall –, und das belastete ihn sehr.
    Und darum wollte sie gehen und ohne ihn leben. Um ihre Versetzung aus dem Hauptquartier ersuchen. Ihre Stimme klang gespenstisch fern, als sie dies sagte. Sie blieb ganz gelassen dabei, aber es war gerade dieses Fehlen jeglichen Ausdrucks, das so schwer zu ertragen war. Für sie schien damit alles gesagt zu sein und so selbstverständlich wie die Gewissheit, dass zwei plus zwei vier ergeben oder die Sonne im Osten aufgeht.
    Er erinnerte sich, wie ihn ein Gefühl von Ohnmacht überkam. »Elena«, hatte er gesagt, »weißt du eigentlich, was du mir bedeutest?«
    Ihre Antwort – bleiern und jenseits aller Kränkung – hallte immer noch in seinen Kopf nach: »Ich glaube, du weißt nicht einmal, wer ich bin.«
    Als er, aus Tunesien zurückgekehrt, das Haus verlassen vorgefunden hatte, hatte er sie aufzuspüren versucht und Ted Waller gebeten, ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dabei zu unterstützen. Er wollte ihr tausend Dinge sagen. Aber es schien, als sei sie vom Erdboden verschluckt worden. Sie war nicht aufzutreiben, weil sie nicht gefunden werden wollte. Waller hatte Recht: Sie war ihm, Nick, voll und ganz ebenbürtig.
     
    In ausreichenden Mengen eingenommen, wirkt Alkohol wie das Betäubungsmittel Novocain. Doch wenn die Wirkung nachlässt, stellt sich der Schmerz wieder ein; dagegen hilft nur noch mehr Alkohol. Die Tage und Wochen, die auf seine Rückkehr aus Tunesien folgten, bestanden nur noch aus Fetzen gerissener Filme. Bilder in Sepia. Er brachte den Müll
nach draußen und registrierte das helle Klirren von Glas. Manchmal klingelte das Telefon; doch er achtete nicht darauf. Einmal läutete es an der Tür: Es war Chris Edgecomb, der ihm allen Regeln des Direktorats zuwider einen Besuch abstattete. »Ich mache mir Sorgen«, sagte er, und so sah er auch aus.
    Bryson mochte gar nicht darüber nachdenken, wie er auf sein Gegenüber wirkte – so erschöpft und ungepflegt, wie er war. »Sind Sie geschickt worden?«
    »Machen Sie Witze? Wenn rauskommt, dass ich hier war, geht’s mir dreckig .«
    Bryson wähnte sich einer so genannten Intervention ausgesetzt. Er konnte sich nicht mehr an die Worte erinnern, die er Edgecomb gegenüber gesagt hatte, nur noch daran, dass sie heftig ausgefallen waren. Der junge Mann würde jedenfalls nicht mehr wiederkommen.
    Halbwegs klar bei Verstand war Bryson immer nur dann, wenn der Rausch ausgeschlafen war und er mit dröhnenden Kopfschmerzen und verklebtem Gaumen erwachte. Im Spiegel sah er dann seine geröteten Augen mit tiefen dunklen Ringen darunter. Sobald er versuchte, etwas zu essen, wurde ihm schlecht.
    Ein paar isolierte Laute, ein paar unzusammenhängende Bilder. So ging nicht nur ein Wochenende verloren, sondern ein Vierteljahr.
    Seine Nachbarn in Falls Christ nahmen kaum Notiz von ihm; vielleicht steckte Diskretion dahinter, vielleicht Desinteresse. Was war er noch gleich: Finanzbuchhalter für irgendeine Maschinenbaufirma, oder? Wahrscheinlich hatte man ihn vor die Tür gesetzt. Entweder er schaffte es, aus seinem Tief herauszukommen, oder er schaffte es nicht. Die Opfer des Managements der neoliberalen Wirtschaft verdienten nicht viel Mitleid. Und außerdem hielt man sich in der Nachbarschaft einer Vorstadt lieber auf Distanz.
    Dann, an einem Augusttag, ging plötzlich ein Ruck durch ihn. Er sah die violetten Astern aufgehen, Blumen, die Elena im Vorjahr gepflanzt hatte und die, unbeachtet und vernachlässigt, wie aus Trotz zu blühen anfingen. Er wollte es ihnen
gleichtun. Die Müllsäcke klirrten nicht länger, wenn er sie am Straßenrand absetzte. Er aß wieder regelmäßig, dreimal am Tag. Anfangs war er noch ein bisschen zittrig, doch es ging stetig bergauf, und zwei Wochen später machte er sich, mit frisch geschnittenen Haaren, rasiert und in einem ordentlichen Anzug, auf den Weg zur Nummer 1324 in der K Street.
    Waller versuchte seine Erleichterung geschäftsmäßig zu kaschieren, doch Bryson sah seine Augen aufleuchten. »Wer hat da behauptet, im Leben der Amerikaner gäbe es keinen zweiten Akt?«, sagte Waller.
    Bryson erwiderte Wallers festen Blick und wartete geduldig. Er hatte endlich wieder zu seiner alten Selbstsicherheit zurückgefunden.
    Waller deutete ein Schmunzeln an – man musste ihn schon gut kennen, um es als Lächeln identifizieren zu können – und reichte ihm den knallgelben Aktenordner. »Nennen wir’s den

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