Der Prometheus-Verrat
noch nicht kennen gelernt: Sie ist eine der besten, zuverlässigsten Agentinnen, die wir haben. Leider beehrt sie uns nur ganz selten.« Der vor dem Schreibtisch stehende große Sessel mit der hohen Rückenlehne schwenkte herum. Darin saß Layla.
»Ah, ja«, sagte Elena mit frostiger Miene und nahm Laylas ausgestreckte Hand entgegen. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
»Und ich von Ihnen«, erwiderte Layla nicht weniger kühl. Sie blieb sitzen. »Hallo, Nick.«
Bryson nickte. »Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie mich bei unserem letzten Zusammentreffen umzubringen versucht.«
»Ach, Schwamm drüber«, sagte Layla errötend. »Sie wissen doch, es war nicht persönlich gemeint.«
»Natürlich nicht.«
»Wie auch immer, vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, dass sich unser Freund Jacques Arnaud allem Anschein nach ausklinken will«, sagte Layla schmunzelnd.
»Was soll das heißen?«, fragte Bryson.
»Er ist dabei, alle seine Anteile abzutreten. Ich würde sagen, so verhält sich jemand, der Angst hat. Das ist weder ein geordneter Rückzug noch der Versuch, Schäfchen ins Trockene zu bringen. Mit geschäftlichem Gebaren hat das nichts zu tun. Der Händler des Todes zieht sich in den Ruhestand zurück.«
»Das ergibt doch keinen Sinn«, entgegnete Bryson. »Verstehen Sie das?«
Layla lächelte. »Glücklicherweise haben wir Analysten wie Elena, die aus dem, was unsereins an Informationen sammelt, Sinnvolles zusammenstricken.«
Elena hatte bislang geschwiegen und die Lippen spöttisch verzogen. »Wer ist Ihr Informant, Layla?«, fragte sie nun.
»Ein Mann, der zu Arnauds größten Rivalen zählt, einer der fast ebenso hoch geachtet und gewissenlos ist wie Arnaud selbst, ein Bruder des Bösen, und er verachtet ihn wie Kain seinen Bruder Abel. Sein Name ist Alain Poirier. Sie haben bestimmt schon von ihm gehört.«
»Sie haben also kürzlich von Arnauds größtem Widersacher erfahren, dass dieser seine Geschäfte an den Nagel hängen will«, konstatierte Elena.
»So kann man es ausdrücken«, antwortete Layla. »Jedenfalls auf Englisch. Sie hätten es bestimmt lieber in der Sprache der Algorithmen gesagt, die ja doch sehr viel präziser ist.«
Waller folgte dem Schlagabtausch der beiden Frauen wie einem Tennismatch in Wimbledon.
»Stimmt genau«, sagte Elena. »Doch diese Sprache beginnt mit einem grundsätzlichen Prinzip, und das lautet: Prüfe deine Quelle. Sie halten Poirier für einen Rivalen von Arnaud. Diese Annahme ist durchaus nachvollziehbar. Als
Rivalen haben sich die beiden auch in Szene gesetzt – dabei allerdings ein bisschen zu dick aufgetragen.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Layla.
»Wenn Sie sich das Verhältnis der beiden ein wenig genauer angeschaut hätten, wäre Ihnen aufgefallen, dass Poirier und Arnaud in Wirklichkeit Geschäftspartner sind und eng zusammenarbeiten. Ihre vermeintliche Rivalität ist nur Schau und nichts weiter.«
Laylas Augen verengten sich. »Soll das heißen, dass meine Information wertlos ist?«
»Ganz im Gegenteil«, erwiderte Elena. »Dass man uns durch Sie, die Sie als Agentin offenbar entlarvt wurden, Informationen zuzuspielen versucht, ist sehr aufschlussreich. Anscheinend will Arnaud, dass wir an seinen Rückzug glauben.«
Layla schwieg für eine Weile. Dann sagte sie, leicht betreten: »Damit könnten Sie Recht haben.«
»Arnaud versucht demnach, unsere Aufmerksamkeit von sich abzulenken«, fasste Bryson zusammen. »Wahrscheinlich arbeitet er an einem Geschäft, das in Gefahr geriete, wenn wir ihm jetzt auf die Finger klopften. Womöglich steigt demnächst irgendeine größere Sache. Wir müssen jetzt ganz genau aufpassen. Himmel, da sind Kräfte am Werk, die über jede Menge Macht und Wissen verfügen. Wir können nur hoffen, dass sie uns unterschätzen und als Gefahr nicht besonders ernst nehmen.«
»Ich fürchte«, meinte Layla, »dass sie in dieser Einschätzung womöglich richtig liegen.«
Waller war zu einer wichtigen Sitzung nach Paris aufgebrochen. Bis zu seiner Rückkehr hatten Bryson und Elena Zeit für sich. Sie unternahmen eine lange Wanderung durch die Hügellandschaft, am Ufer der Dordogne entlang und über Felder, auf denen der Rosmarin blühte. Sie waren tatsächlich in Frankreich, was Bryson bestätigt fand, als er aus den Tiefen des Hauptquartiers auftauchte und ins Freie trat. Das alte, am Berghang gelegene Herrengut war im Grunde nur die Fassade der Einrichtung, die sich zum größeren Teil
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