Der Prometheus-Verrat
austauschen.«
Elenas Handy piepte. »Ja?« Ihre Miene wurde ernst. »Danke, Chris.«
Sie trennte die Verbindung und sagte zu Bryson: »Er hat etwas herausgefunden.«
Chris Edgecomb reichte Elena einen Stoß rot umrandeter Hefter, die alle prall mit Computerausdrucken gefüllt waren. »Mann, als der Code geknackt war, sprudelten die Informationen nur so. Was uns noch ein bisschen aufhält, ist das Transkriptionsprogramm. Es kommt kaum nach mit der Umwandlung von gesprochener Sprache in Schriftzeichen, trotz unserer schnellen Prozessoren. Wir sind mit dem Material noch längst nicht durch. Ich habe alles Überflüssige auszusieben versucht, im Zweifelsfall aber eher mehr dringelassen. Was wichtig ist und was nicht, könnt ihr entscheiden. «
»Vielen Dank, Chris«, sagte sie und verteilte die Hefter auf dem langen Tisch im Konferenzraum, der an die Computerzentrale angrenzte.
»Ich lasse Ihnen Kaffee bringen. Den werden Sie, glaube ich, nötig haben.«
Sie teilten die Ausdrucke untereinander auf und begannen zu lesen. Die mit Abstand aussagekräftigsten Texte waren die Abschriften der entschlüsselten Telefongespräche zwischen den Chefs. Davon gab es viele: Manche waren sehr ausführlich, in einigen Fällen hatten noch andere via Konferenzschaltung an den Gesprächen teilgenommen. Weil sich
die Teilnehmer auf der sicheren Seite wähnen konnten, nahmen sie kein Blatt vor den Mund. Einige wenige – die wohl gerisseneren, darunter Arnaud und Prischnikow – blieben trotzdem auf der Hut. Sie verwendeten Codewörter und beließen es bei Andeutungen. An solchen Stellen war Elenas Gespür für Sprachmuster und versteckte Sprechintentionen gefragt. Bryson, der über die Hintergründe und Geschäfte der Teilnehmer halbwegs im Bilde war, konnte ebenfalls bestimmte Andeutungen und Hinweise einordnen.
Sie hatten mit der Sichtung der Papiere kaum begonnen, als Bryson sagte: »Ich glaube, jetzt haben wir sie im Sack. Hier ist der Beweis: Prischnikow hat den Milzbrandanschlag von Genf drei Wochen im Voraus geplant.«
»Aber er ist offenbar auch nur ausführendes Organ«, sagte Elena. »Die eigentliche Führungsspitze scheint aus zwei Personen zu bestehen, möglicherweise Amerikanern.«
»Wer könnte das sein?«
»Namen werden nicht genannt. Aber hier wird einmal auf die Zeitzone der Westküste verwiesen, also auf Kalifornien oder Oregon.«
»Und London? Hast du schon eine Idee, wer da die Puppen tanzen lässt?«
»Nein …«
In diesem Moment kam Chris Edgecomb zur Tür herein. Er wedelte mit einem Stapel Papier und rief freudig erregt: »Das wird Sie interessieren: auffällige Geldbewegungen von und zur First Washington Mutual Bancorp.« Er reichte Elena seine dicht mit Zahlenkolonnen bedruckten Unterlagen.
»Ist das nicht die Bank, die von den meisten Kongressmitgliedern genutzt wird?«, fragte Bryson. »Bei der du schon den Verdacht hattest, dass sie mit persönlichen Daten von Gegnern des Abkommens hausieren geht.«
»Ja«, antwortete Elena, und an Edgecomb gewandt: »Das sind Kapitaltransfers.«
Edgecomb nickte.
»In schöner Regelmäßigkeit.«
»Worum geht’s?«, wollte Bryson wissen.
»Eine heiße Spur. Die Vollmachtscodes, wie sie in diesen Unterlagen aufgeführt werden, sind typisch für ein 100-prozentig abhängiges Unternehmen.«
»Was bedeutet das?«
»Dass diese Washingtoner Bank von einem anderen, größeren Geldinstitut kontrolliert zu werden scheint.«
»Was aber doch nichts Ungewöhnliches wäre«, entgegnete Bryson.
»Hier wird allerdings einiges gründlich vertuscht, nicht zuletzt die Identität des eigentlichen Besitzers.«
»Könnten wir den irgendwie ermitteln?«, fragte Bryson.
Elena nickte abwesend; sie hatte sich bereits auf die Unterlagen konzentriert. »Chris, diese wiederkehrende Zahl hier, das müsste der ABA-Code für den Leitweg sein. Könnten Sie das mal überprüfen und feststellen, welche…«
»Schon geschehen, Elena«, sagte Chris. »Es handelt sich um ein New Yorker Bankhaus namens Meredith Waterman. «
»Um Himmels willen«, stöhnte sie. »Das ist eine der ältesten und angesehensten Anlagebanken an der Wall Street. Dagegen machen sich Morgan Stanley oder Brown Brothers Harriman wie Emporkömmlinge aus. Ich verstehe das nicht… was für ein Interesse könnte Meredith Waterman daran haben, Senatoren und Kongressabgeordnete durch Erpressung dazu zu bringen, dass sie dem internationalen Abkommen für Überwachung und Sicherheit zustimmen?«
»Meredith Waterman
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