Der Prometheus-Verrat
Wachposten gab es hier keine.
Bryson fuhr mit Elena in den Wald, der an Mannings Anwesen grenzte. Sie trug dunkelgrüne Kleider – Hose und Hemd, die sie in einem Armeeladen gekauft hatte und halbwegs nach Uniform aussahen.
Bis zum verabredeten Start ihrer Aktion um 21 Uhr blieben ihnen noch vier Stunden Zeit.
Sie näherten sich dem Hochsicherheitszaun, der die Grenze von Mannings Grundstück markierte, und achteten darauf, weder in den Blickwinkel der Kameras noch in den Bereich der auf Fußdruck reagierenden Alarmanlage zu gelangen. Elena suchte nach Hinweisen auf das unterirdische Glasfaserkabel, das, vom Haus kommend, eine kurze Strecke durch den Wald führte.
Dass es da war, wusste sie. Mannings Haus lag rund fünf Kilometer von der Zentrale entfernt. Während des Baus hatte der Bauunternehmer beim Landwirtschaftsministerium darum ersucht, einen Graben für die Verlegung eines Lichtwellenleiters ausheben zu dürfen. Dieser Antrag war, weil offiziell an die Regierung gerichtet, öffentlich zugänglich und auch übers Internet abzurufen, und er erwähnte ein Detail, das Elena ganz besonders interessant fand: Aus technischen Gründen musste ein so genannter optischer Repeater eingebaut werden, ein Kasten, der wie ein Verstärker wirkt und den Datenstrom in Bewegung hält, der sonst über längere Distanzen versickern würde.
Ein Repeater ließ sich problemlos abzapfen, zumindest für jemanden, der sich damit auskannte. Für Elena war es jedenfalls kein Problem.
Fraglich war nur, wo genau die Leitung verlief.
Sie wählte die Telefonnummer des Seattler Bauunternehmers, der den Antrag gestellt und das Kabel verlegt hatte.
»Mr. Manzanelli? Mein Name ist Nadya. Im rufe im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz an. Wir untersuchen den Säuregehalt des Waldbodens und entnehmen ihm Proben, wollen aber natürlich keine Leitungen dabei verletzen, die hier…«
Als sie erklärte, in welchem Waldabschnitt gegraben werden sollte, fiel ihr der Bauunternehmer ins Wort und rief:
»Um Himmels willen! Erinnert sich bei Ihnen denn keiner an den Ärger, den uns Ihre Behörde gemacht hat, als es um die Streckenführung ging?«
»Verzeihung, Sir, ich bin nicht ganz im Bilde…«
»Das verfluchte Forstamt hatte sich quer gelegt, obwohl Mr. Manning eine halbe Million springen lassen wollte für Neuaufforstung und dergleichen. Aber nein, wir mussten die Leitung direkt am Zaun entlanglegen, und zwar zu ebener Erde.«
»Tut mir Leid. Ich bin sicher, unsere neue Direktion wäre Mr. Manning bestimmt sehr viel weiter entgegengekommen.«
»Haben Sie eine Ahnung, wie viel er allein an Grundsteuern bezahlt?«
»Immerhin können wir jetzt ausschließen, dass wir aus Versehen eine Leitung kappen. Wenn Sie Mr. Manning das nächste Mal sehen, richten Sie ihm bitte aus, dass wir vom Bundesamt für Naturschutz seine Verdienste für das Land durchaus zu würdigen wissen.«
Sie brach die Verbindung ab und wandte sich Bryson zu. »Gute Nachrichten. Wir brauchen nicht zu graben und haben dadurch an die drei Stunden Zeit gewonnen.«
Kurz nach 16:00 Uhr wurde Bryson vom Büro der Pacific Air Trade darüber informiert, dass auf dem Flughafen Seattle-Tacoma eine Lieferung für ihn angekommen sei. Sie könne aber leider nicht vor morgen weitergeleitet werden.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«, donnerte Bryson. »Ich brauche den Qualitätsprüfer noch heute Abend. Davon hängtimmerhin ein 50 000-Dollar-Auftrag ab.«
»Tut mir Leid, Sir. Aber wenn wir Ihnen zwischenzeitlich irgendwie anders helfen könnten…«
Kurz vor sechs fuhr Bryson mit einem gemieteten Lieferwagen am Terminal der Pacific Air Freight vor, wo dann die von ihm bestellte, knapp 500 Kilo schwere Apparatur mit Hilfe eines Gabelstaplers und drei freundlichen Helfern umgeladen wurde.
Eine Stunde später steuerte er den Lieferwagen durch den Wald neben Mannings Grundbesitz und bis auf hundert
Meter an die Stelle heran, wo bereits das grüne Forstfahrzeug stand. Er stellte den Wagen so ab, dass das Heck dem Maschendrahtzaun zugewandt war, von den Überwachungskameras aber noch nicht eingefangen werden konnte. Er öffnete die Heckklappe und richtete den Apparat aus. Das Dickicht und die vielen Bäume, durch die die Sicht auf das Anwesen verstellt war, waren kein Problem. Im Gegenteil, sie halfen, das Gerät des russischen Wissenschaftlers zu tarnen.
Daraufhin schulterte Bryson einen Rucksack, gefüllt mit kleinen runden Scheiben, die alle mit einem Zünder versehen
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