Der Prometheus-Verrat
Fenstern auf den Rasen. Bryson setzte sich an den Rand des Stegs, zog die Weste aus, dann den Taucheranzug und legte die Weste wieder an. Die darin verstauten Waffen und Instrumente befreite er daraufhin von den Plastiktüten. Dann schlich er über den Steg zum Bootshaus und hielt für den Fall, dass man ihn überraschte, die Hand am Griff der 45er, die in der vorderen Westentasche steckte.
So weit, so gut . Doch er wusste: Die Gefahr, entdeckt zu werden, nahm mit jedem Schritt zu, den er sich der Villa näherte. Er durfte keinesfalls nachlässig werden. Mit einer schwarzen Strickmaske verhüllte er sein Gesicht. Dann setzte er das Metaskop ans rechte Auge – ein optisches Gerät, das Infrarotlicht sichtbar machte.
Die Strahlen waren so auf Anhieb zu erkennen.
Die Bewegungsmelderstrahlen von Infrarotkameras verliefen kreuz und quer über die weite Rasenfläche. Sie waren auf eine Toleranzhöhe von knapp einem Meter eingestellt, damit nicht jedes Karnickel Alarm auslöste.
Und Hunde?
Womöglich waren auch Wachhunde im Einsatz, allerdings hatte er noch keine gehört oder gesehen.
Das Metaskop hatte eine Kopfhalterung, die ihm die Hände freihielt. Und er brauchte freie Hände. Er schnallte das Monokular fest und setzte die Gummimanschette aufs Auge. Jetzt konnte er den Rasen passieren und darauf achten, dass er den Infrarotstrahlen nicht in die Quere kam.
Als er auf allen Vieren losrobbte, hörte er ein Geräusch, das ihn erstarren ließ. Leise winselnd kamen mehrere Hunde um die Ecke getrottet, sahen ihn und beschleunigten ihren Gang. Und es waren beileibe keine Schoßhunde, sondern ausgewachsene, gut durchtrainierte Dobermänner.
Er spürte, wie sich ihm der Magen zuschnürte. Gütiger Himmel !
Sie kamen herangeschossen, knurrten, bellten und fletschten die Zähne. Schon hatten sie sich bis auf 20 Meter genähert. Mit bebendem Herzen zerrte er die Bolzenpistole aus der Weste, zielte und drückte ab. Viermal hustete die Waffe leise auf, und vom Druck aus einer Kohlendioxidpatrone angetrieben, flogen der Meute vier zehn Zentimeter lange Pfeile mit betäubender Ladung entgegen. Einer verfehlte sein Ziel, die anderen trafen ins Schwarze. Fast unmittelbar darauf sackten zwei Hunde zu Boden, der größte von ihnen sprang noch ein paar unsichere Sätze weiter und brach dann ebenfalls zusammen. Jeder Pfeil enthielt zehn Kubikzentimeter
eines sofort wirkendes Anästhetikums auf Fentanyl-Basis.
Bryson war ins Schwitzen geraten und zitterte am ganzen Körper. Obwohl er auf eine solche Eventualität vorbereitet gewesen war, hätte er sich fast überraschen lassen. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Hunde wären ihm an die Gurgel gesprungen. Er lag flach auf dem Bauch und wartete. Vielleicht waren da noch andere Hunde, ein zweites Rudel. Möglich auch, dass ein Wachposten das Bellen gehört hatte und aufmerkte. Allerdings schlugen selbst gut ausgebildete Hunde mitunter irrtümlicherweise an, und wenn sie dann von sich aus wieder aufhörten zu bellen, bedeutete dies Entwarnung.
Dreißig, vierzig Sekunden lang lag Bryson da und rührte sich nicht. Mit seinem schwarzen Overall und der Gesichtsmaske war er im Dunklen kaum auszumachen. Noch mehr Hunde schienen nicht in der Nähe zu sein. Wie auch immer, er konnte es sich nicht leisten, noch länger auszuharren. Wie er wusste, waren an mehreren Stellen Gitterroste in den Rasen eingelassen. Darunter befanden sich die Belüftungsschächte der Tiefgarage. Bei den Bauarbeiten an der Villa war es mit der Bauaufsicht unter anderem zu einem Streit über die Planung dieser Tiefgarage gekommen, die inzwischen treffenderweise Moto-Grotto genannt wurde, weil sie nur über eine Zufahrt zu erreichen war, die durch den Hügel auf der anderen Seite des Hauses führte. Manning hatte Konzessionen eingehen und für zusätzliche Belüftungsschächte sorgen müssen, die nun unauffällig auf der Rasenfläche vorm Haus mündeten.
Bryson kroch weiter, hielt sich halb links und hütete sich, einen der Infrarotstrahlen zu kreuzen. Nach etwa fünf Metern traf er auf eines der Metallgitter. Für den Fall, dass es fest vernietet oder verschweißt sein sollte, hatte er geeignetes Schneidwerkzeug mitgebracht. Doch es ließ sich ohne großen Kraftaufwand anheben.
Die Öffnung war nur ungefähr 40 mal 60 Zentimeter groß, was ihm aber als Durchlass reichte. Das eigentlich Kritische war die fragliche Tiefe. Die Innenwände des Schachts
waren aus glattem Beton und boten keinerlei Halt. Nur gut, dass
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