Der Prometheus-Verrat
Mitteln auch immer‹?«
»Sie und ich, wir wissen, was mit dieser Formulierung gemeint ist. So grundanständige Leute wie Richard Lanchester
begreifen’s wohl nie. Aber was ist mit all den idealistischen, redlichen Intentionen erreicht worden? Alle Heiligen sind tot.« Der honorige, hoch verehrte Richard Lanchester war Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus. »Dick Lanchester glaubt an die Kraft von Regeln und Regulationen. Dumm nur, dass sich die Welt nicht danach richtet. Wie auch immer, manchmal muss man Regeln brechen, wenn man will, dass sie ihre Wirksamkeit behalten.«
»Mit anderen Worten, man darf sich nicht immer an die Boxregeln des Marquis of Queensbury halten«, sagte Bryson in Erinnerung an Ted Wallers Worte.
»Erzählen Sie mir doch, wie Sie damals an Waffen herangekommen sind. Die sind Ihnen ja bestimmt nicht aus der Waffenkammer der Regierung geliefert worden. Haben Sie das Zeug von der Straße aufgelesen?«
»Wir waren in der Tat immer sehr wählerisch, was unser – wie wir sagten – ›Besteck‹ anging. Und Sie haben Recht. Bei all den Restriktionen und der strengen Geheimhaltung mussten wir uns das Zeug selbst beschaffen. Natürlich sind wir nicht mit einem Bestellschein zur nächstbesten Ausgabestelle der Army gefahren. Wenn für eine bestimmte Operation viele Waffen gebraucht wurden – zum Beispiel für die auf den Komoren, damals ’82, als es darum ging, den Putschversuch einer Söldnerbande zu verhindern …«
»Das waren CIA-Leute«, warf Dunne ein und verzog das Gesicht. »Und sie hatten lediglich vor, ein paar Briten und Amerikaner zu befreien, die dieser geistesgestörte Colonel Patrick Denard gekidnappt und aus irgendwelchen unerfindlichen Gründe in Geiselhaft genommen hatte.«
Bryson zuckte unwillkürlich zusammen, setzte seine Erklärung aber weiter fort: »Als Erstes brauchten wir rund 200 Kalaschnikow-Sturmgewehre. Die sind billig, zuverlässig, leicht und werden in ungefähr zehn verschiedenen Ländern hergestellt, was den Vorteil hat, dass man ihre Herkunft nicht so einfach zurückverfolgen kann. Des Weiteren: eine kleinere Anzahl an Präzisionsgewehren mit Nachtsicht-Zielfernrohren, am besten BENS 9304 oder Jaguar Night
Scope. Dann Raketenwerfer und Granaten, günstigenfalls vom Typ CPAD Tech. Immer gut kommen Stinger-Missiles – die Griechen produzieren als Lizenznehmer jede Menge davon. Und es ist denkbar einfach, einen Posten davon zu beziehen. Um an Geld zu kommen, verkauft die kurdische PKK das Zeug an die Tamil Tigers, die LTTE.«
»Ich kann nicht mehr ganz folgen.«
Bryson seufzte ung eduldig . »Wo illegal Waffen beschafft werden, gehen immer welche verloren. Mit jeder Fuhre.«
»Sie fallen vom Lastwagen.«
»Wenn Sie so wollen, ja. Und dann kommt es natürlich darauf an, Munition zu sammeln. Dabei machen Amateure fast immer den entscheidenden Fehler: Sie haben am Ende mehr Waffen als Munition.«
Dunne musterte sein Gegenüber mit rätselhafter Miene. »Sie waren wohl wirklich gut in Ihrem Fach, nicht wahr?« Es war keine Frage und offenbar auch nicht als Kompliment gemeint.
Bryson stand unvermittelt auf, die Augen weit aufgerissen. »Ich weiß, wo ich sie finde. Oder immerhin, wo ich anfangen muss zu suchen. Genau zu dieser Jahreszeit« – er warf einen Blick auf die Datumsanzeige seiner Armbanduhr – »verflixt, in ungefähr zehn Tagen kreuzt ein schwimmender Waffenbazar vor der spanischen Costa da Morte auf, in internationalem Gewässer. Das ist eine mittlerweile 20 Jahre alte Institution, ein so regelmäßig wiederkehrendes Ereignis wie die Thanksgiving-Parade von Macy’s. Ein riesige s Containerschiff voll von allerbester Munition und einer Menge erstklassiger Feuerwaffen.« Bryson stockte. »Registriert ist das Schiff unter dem Namen Spanish Armada .«
»Das Picknick«, sagte Dunne und grinste. »Wo sich die Ameisen treffen. Verstehe. Keine schlechte Idee.«
Bryson nickte, war aber in Gedanken schon woanders. Die Vorstellung, in seinen alten Job zurückzukehren, erregte Ekel in ihm, zumal er jetzt wusste, wie sehr man ihn betrogen hatte. Aber es stellte sich noch eine andere Empfindung ein, nämlich Wut. Ein heißer Wunsch nach Rache. Und noch
etwas, das sich etwas zurückhaltender zu Wort meldete: das Bedürfnis zu verstehen und mit der eigenen Vergangenheit ins Reine zu kommen. Hinter all den Geheimnissen und Lügen die Wahrheit aufzudecken. Eine Wahrheit, mit der er leben konnte. »Ja, vielleicht«, sagte Bryson.
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