Der Prometheus-Verrat
identifizierte.
Der Wachposten grunzte zufrieden.
Bryson schaute sich um, registrierte die panamaische Flagge am Bug und sah, dass an vielen Containern der Hinweis auf Explosionsgefahr klebte. Einigen privilegierten Kunden wurde gestattet, die Ware vor dem Kauf zu inspizieren, das heißt einen Blick in die Container zu werfen. Doch verladen wurde hier nichts. Die Spanish Armada würde später einen für sie sicheren Hafen anlaufen, etwa den von Guayaquil in Ecuador, der angeblich Calacanis’ Stützpunkt war; oder den Hafen von Santos in Brasilien. Beide Anlaufstellen galten als die korruptesten Piratennester des amerikanischen Subkontinents. Im Mittelmeer würde das Schiff im albanischen Hafen von Vlorë vor Anker gehen, einem der Welt größten Schmugglerzentren. In Afrika kamen die Häfen von Lagos in Nigeria und der von Monrovia in Liberia als Umschlagplätze in Frage.
Bryson hatte die Durchsuchung hinter sich.
Er war an Bord.
»Hier entlang, bitte«, sagte Ian und zeigte auf das Deckshaus, wo sich aller Wahrscheinlichkeit nach die Quartiere der Crew, die Brücke sowie Calacanis’ Privatkabinen und Büros befanden. Auf ihrem Weg dorthin wurden die vier Besucher in diskretem Abstand von bewaffneten Wachen begleitet. Der Hubschrauber stieg wieder auf, und als die vier die Aufbauten erreichten, hatte sich das Knattern der Rotoren schon entfernt. Bryson hörte die vertrauten Geräusche des Meeres, die Möwen, das Klatschen der Wellen,
und er roch die salzige Luft, unter die sich der scharfe Geruch von Diesel mischte. Hell leuchtete der Mond über dem Wasser.
Zusammen mit Ian bestiegen die Besucher einen engen Fahrstuhl, der sie vom Hauptdeck auf die Ebene 06 hinaufbeförderte.
Als die Fahrstuhltür aufging, staunte Bryson nicht schlecht. So viel Luxus hatte er nicht einmal auf den Jachten der extravagantesten Milliardäre gesehen. Gespart hatte man hier wahrhaftig nicht. Die Böden waren aus Marmor, die Wände mit Mahagoni vertäfelt, funkelnd die Messingbeschläge. Sie kamen an einem Spielkasino vorbei, einem kleinen Kino, einem Fitness-Studio mit modernsten Geräten, einer Sauna, einer Bibliothek. Schließlich gelangten sie in einen großen Salon, die Privatkabine des Schiffsherrn, die Ausblicke nach vorn und nach achtern bot. Sie ging über zwei Ebenen und war mit einem Prunk ausgestattet, den man selbst in den größten Luxushotels nur selten antraf.
Vier oder fünf andere Männer saßen an einer Bar, hinter der ein Barmann mit schwarzer Krawatte stand. Eine weiß uniformierte Stewardess, umwerfend schön mit leuchtend grünen Augen, bot ihm scheu lächelnd eine Flöte Cristal-Champagner an. Bryson nahm das Glas, bedankte sich, und schaute in die Runde, wobei er versuchte, nicht neugierig zu erscheinen. Auf den Marmorböden lagen orientalische Teppiche; Plüschsofas waren zu Sitzgruppen zusammengestellt. Einige Wände standen voll mit Büchern, die sich allerdings auf den zweiten Blick als Attrappen herausstellten. Es gab kristallene Lüster. Nur eines fiel hier aus dem Rahmen, nämlich die großen ausgestopften Fische, offenbar Angeltrophäen, die als Wandschmuck herhalten mussten.
Die anderen Gäste unterhielten sich mehr oder weniger angeregt. Bryson glaubte einige davon schon bei anderen Gelegenheiten gesehen zu haben. Aber wer waren sie? Er strengte seinen Kopf an und durchforstete sein phänomenales Gedächtnis. Nach und nach setzten sich einzelne Dossiers zu vage wiedererkennbaren Porträts zusammen. Ein
pakistanischer Mittelsmann; ein ranghohes Mitglied der IRA, ein Geschäftsmann und Waffenhändler, der wohl wie kein Zweiter den Krieg zwischen Iran und Irak angeheizt hatte. Diese und andere waren allesamt Vermittler, Zwischenhändler, sie waren gekommen, um Ware en gros einzukaufen. Ihm wurde vor nervöser Anspannung ganz klamm bei der Frage, ob einer von diesen Männern ihn womöglich auch erkannte und über sein früheres Leben Bescheid wusste, ob als Coleridge oder in einer seiner vielen anderen Identitäten. Das Risiko, demaskiert oder bei einem anderen Namen genannt zu werden, begleitete ihn ständig. Es gehörte zu seinem Job und stellte eine seiner vielen beruflichen Gefahren dar. Auf diese Möglichkeit musste er immer gefasst sein.
Zum Glück war da aber niemand, der ihn heimlich oder neugierig mit jener Art von Blick verfolgte hätte, mit denen Raubtiere ihre Rivalen bedenken. Er spürte auch nicht jenes Prickeln am Hinterkopf, das sich immer dann einstellte, wenn ihm schwante, dass
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