Der Prometheus-Verrat
»Für jede Gruppe, die, ob auf eigene Faust oder mit dem Segen irgendeiner Regierung, Waffen zu akquirieren versucht und dabei unbeobachtet bleiben will, ist die Spanish Armada immer ein willkommenes Picknick.«
Fünftes Kapitel
Atlantischer Ozean Dreizehn Seemeilen SW von Cabo Finistre, Spanien
D as riesige Schiff stieg aus dem Nebel und türmte sich unheilvoll auf. Es war so lang wie eine Häuserzeile, rund 300 Meter. Der schwarze Rumpf lag tief im Wasser. Der Superfrachter war von der Brücke bis zum Bug mit bunten Metallcontainern beladen, zu zehn Reihen angeordnet, jeweils drei Container über- und acht nebeneinander, wobei jeder einzelne sechs Meter lang und zwei Meter achtzig hoch war. Als die Bell 407 über dem Frachter kreiste und sich dann auf das Vorschiff senkte, rechnete Bryson schnell zusammen: 240 Container standen dort an Deck. Und in dem riesigen Bauch des Schiffs lagerte womöglich noch ein Dreifaches – eine Unmenge an Fracht, die umso ominöser wirkte, als davon auszugehen war, dass jeder einzelne dieser schäbig aussehenden Metallbehälter randvoll mit Waffen war.
Die Scheinwerfer des Hubschraubers ließen das Deck grell aufleuchten. Achtern erhoben sich jenseits der Containerreihen die mächtigen weiß gestrichenen Aufbauten mit schwarzen Fenstern und die Brücke mit ihren futuristisch anmutenden Radar- und Antennensystemen. Das Deckshaus wirkte deplaziert und schien weniger zu einem Frachter als zu einer Luxusjacht zu passen. Aber das ist ja auch kein gewöhnliches Containerschiff , dachte Bryson, als der Hubschrauber sanft auf dem großen H aufsetzte, das als Markierung auf das Deck des Vorschiffs gemalt worden war.
Dies also war die Spanish Armada , eine Legende in der Schattenwelt der Terroristen, Undercoveragenten und Halbseidenen. Ihr Name führte allerdings gewissermaßen in die Irre, denn bei der Spanish Armada handelte es sich nicht
etwa um eine Flotte, sondern um ein einziges riesiges Schiff, sowohl mit exotischen als auch herkömmlichen Waffen beladen. Niemand wusste, woher Calacanis, der rätselhafte Herr über dieses schwimmende Waffenlager, seine Ware bezog, aber es wurde gemunkelt, dass er einen Großteil davon ganz legal von Staaten bezog, die zu viel Waffen, aber zu wenig Geld besaßen, Staaten wie Bulgarien, Albanien und andere osteuropäische Randstaaten, aber auch Russland, Korea und China. Calacanis’ Kundschaft kam aus aller Welt, oder richtiger: aus der Unterwelt zwischen Afghanistan und dem Kongo, wo Dutzende von Bürgerkriegen tobten, und Aufstände durch Waffen angeheizt wurden, die von Vertretern der jeweiligen Regierung illegal beschafft wurden. Die Waffen stammten von diesem Schiff, das 13 Seemeilen vor der spanischen Küste ankerte, über dem relativ flachen Kontinentalsockel, aber schon im internationalen Gewässer, so dass hier ungehindert Geschäfte abgewickelt werden konnten.
Dem Vorbild seiner drei Mitreisenden folgend, nahm Bryson den Ohrenschutz vom Kopf. Er war zuerst nach Madrid geflogen, von dort weiter mit den Iberian Airlines nach La Coruña in Galizien. Mit einem anderen Interessenten war er dort an Bord des Hubschraubers gegangen, der sie nach einem kurzen Zwischenstopp im 75 Kilometer entfernten Hafen von Muros, wo zwei weitere Männer an Bord kamen, hinaus auf das Schiff brachte. Von ein paar höflichen Floskeln abgesehen, schwiegen die vier Passagiere. Sie konnten davon ausgehen, dass auch die jeweils anderen bei Calacanis einzukaufen gedachten. Worte wären hier überflüssig gewesen. Der eine war Ire, wahrscheinlich ein Provo; der andere schien aus dem Nahen Osten zu stammen, der dritte aus Osteuropa. Der Pilot war ein düster dreinblickender, ebenfalls schweigsamer Baske. Er flog eine luxuriös ausgestattete Maschine mit Ledersitzen und großen gewölbten Glastüren. Calacanis war, zumindest was seinen Fuhrpark anging, offenbar nicht kleinlich.
Bryson trug einen italienischen Anzug, den er speziell für diesen Anlass auf Kosten der CIA hatte anfertigen lassen,
und der sehr viel modischer war als seine gewohnte Garderobe. Er reiste unter dem Deckmantel einer alten Legende, die er sich schon vor zehn Jahren, noch im Dienst des Direktorats, zugelegt hatte.
John T. Coleridge war ein zwielichtiger Geschäftsmann aus Kanada, in einschlägigen Kreisen bekannt als jemand, der sich gern in schmutzige Deals verwickeln ließ und als Mittelsmann für mehrere kriminelle Syndikate in Asien und so genannten Schurkenstaaten am Persischen Golf
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