Der Prometheus-Verrat
Streicherensemble spielte Mozart. Unter die Kammermusik mischten sich stampfende Rhythmen und schrille Synthesizertöne aus einem der angrenzenden Räume. Der Effekt war kakofonisch.
Bryson legte einen Arm um Laylas schlanke Taille und sagte leise: »Ich hoffe, Sie haben sich amüsiert.«
»Und wie«, murmelte sie. »Allerdings hätte ich gern mit Ihnen die Rolle getauscht. Erfolg gehabt?«
Bryson wollte gerade antworten, als er in einer entfernten Ecke des Saales Jacques Arnauds kahlen Kopf entdeckte. Er unterhielt sich mit einem Mann im Smoking, der einen kleinen Kopfhörer im Ohr stecken hatte und offenbar zum Sicherheitspersonal gehörte. Arnaud nickte und sah sich unter den Gästen um. Plötzlich eilte ein dritter Mann hinzu, der dem Ausdruck und seinen Gebärden nach in heller Aufregung zu sein schien. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel, und Bryson registrierte, dass Arnaud einen scharfen Blick in seine Richtung warf. Offenbar war der Vorfall im Bürotrakt gemeldet und Alarm geschlagen worden. Für Bryson gab es kaum einen Zweifel daran, dass Arnaud gezielt ihn, den vermeintlichen Mr. Collier, in Verdacht hatte. Wahrscheinlich war er ins Bild irgendwelcher Überwachungskameras gelaufen. Wie auch immer, jetzt galt es, schnell zu reagieren.
Schon setzten sich die beiden Männer um Arnaud in Bewegung, drängten sich auf getrennten Wegen durch die Menge und prallten in ihrer Hast immer wieder mit Gästen zusammen. Nun tauchte auch noch ein dritter Mann auf, und bald wurde die Absicht des Trios deutlich: Sie versperrten sämtliche Ausgänge des Saals. Bryson und Layla steckten in der Falle.
Tatsächlich hatten Kameras ihren Streifzug durch die Flure des Châteaus verfolgt und auch Brysons Eindringen in Arnauds Büro beobachtet – oder zumindest sein Verlassen, was erklären würde, warum die Sicherheitskräfte derart verspätet in Aktion traten.
Jetzt aber waren die beiden eingekreist.
Layla drückte Brysons Hand mit krampfhaftem Nachdruck. Auch sie hatte den Ernst der Lage erkannt. Ihre Möglichkeiten waren sehr eingeschränkt. Der Gebrauch von Waffen käme nur als allerletzte Maßnahme in Betracht. Arnauds Leute würden versuchen, Layla und Bryson nach draußen zu locken, ohne Aufsehen zu erregen. Der Schein, dass es sich hier um eine ganz normale Party handelte, sollte nach Möglichkeit gewahrt bleiben. Allerdings zweifelte Bryson keinen Augenblick lang an der Entschlossenheit und Kaltblütigkeit des Hausherrn und seiner Wachmänner. Wenn sie keine andere Möglichkeit mehr sähen, würden sie das Feuer eröffnen. Erklärungen konnten nachgereicht, Lügen fabriziert und im Nachhinein falsche Spuren gelegt werden.
Bryson fuhr mit dem Kopf herum und sah mehrere Männer auf sich zu eilen, gebremst nur vom Gedränge der Gäste und der vermutlich ausdrücklichen Direktive des Gastgebers, Unruhe so weit wie möglich zu vermeiden. Er spürte, wie ihm Layla etwas in die Hand zu stecken versuchte und stellte fest, dass es sich dabei um ihre schwarze Samttasche handelte. Was beabsichtigte sie damit? Er hatte die kleine Ausbuchtung bereits vorher registriert und angenommen, dass die Waffe, durch die sie verursacht wurde, dem verführten Wachmann gehörte.
Weil Layla nicht locker ließ, nahm er die Handtasche schließlich entgegen, öffnete sie und realisierte sofort, worauf sie abzielte. Die Hände hinter dem Rücken versteckt, zog er einen zylindrischen Gegenstand aus der Tasche hervor, der sich ursprünglich an Bord der Spanish Armada befunden hatte. Er betätigte den Hebel und warf die kleine Rauchbombe von sich, die Sekunden später zerplatzte und grauen, ätzend stinkenden Rauch entließ, der sich rasend schnell im ganzen Saal ausbreitete.
Spitze Schreie gellten; Rufe wurden laut: » Au feu! « und » Schnell raus hier! «. Arnauds Männer hatten sich bis auf wenige Schritte genähert, als der Tumult ausbrach. Bald brüllte und kreischte alles durcheinander, und je mehr sich der Saal mit Rauch füllte, desto hysterischer wurde die Menge. Die feinen, kultivierten Partygäste verwandelten sich in ein Rudel aufgeschreckter Lemminge und stürzten den Ausgängen entgegen. Dann begannen Alarmsirenen zu heulen, offenbar von Rauchmeldern ausgelöst. In den benachbarten Räumen verstummte die Musik. Kammer- wie Rockmusiker beteiligten sich an der Flucht und stürmten nach draußen. Layla und Bryson konnten in dem heillosen Durcheinander abtauchen und sich so den Sicherheitskräften Arnauds entziehen.
Schreiende
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