Der Prometheus-Verrat
rief Marjorie bestürzt. »Der Personenschutz ist alarmiert.«
Dunne musterte den Besucher und legte sein schmales, hageres Gesicht in Falten. Die kleinen, blutunterlaufenen Augen funkelten. Um den Videoscannern im Eingangsbereich ein Schnippchen zu schlagen, hatte Bryson sein Äußeres verändert und sich verkleidet. Dunne schüttelte den Kopf, stieß einen Schwall Zigarettenqualm aus und hustete. »Schon gut, Margie, pfeifen Sie die Männer wieder zurück. Mit diesem Herrn nehme ich es auch allein auf.«
Verdattert blickte die Sekretärin von ihrem Chef zu dem Eindringling, straffte dann die Schulter und kehrte, die Tür hinter sich schließend, ins Vorzimmer zurück.
Sichtlich verärgert trat Dunne auf Bryson zu. »Den Personenschutz hätten Sie nötig, denn ich würde Ihnen liebend gern mit bloßen Händen den Kehlkopf eindrücken«, raunzte er. »Wer weiß, vielleicht tu ich’s auch noch. Was für ein Spiel treiben Sie hier eigentlich, Bryson? Sie wollen uns hoffentlich nicht zum Narren halten. Wir werden, wie Sie wissen dürften, ständig mit aktuellsten Nachrichten versorgt. Nun, vielleicht ist etwas Wahres an dem Spruch: Einmal Verräter, immer Verräter.« Dunne drückte die Zigarette in einem gläsernen Aschenbecher aus, der auf dem Schreibtisch stand und schon randvoll mit Kippen gefüllt war. »Keine Ahnung, wie Sie allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz ins Haus gekommen sind. Aber das wird sich ja
wohl mit den Aufzeichnungen der Videokameras erklären lassen.«
Bryson war auf den unbeherrschten Wutausbruch seines Gegenübers nicht gefasst gewesen und zögerte. So viel Temperament hatte er dem weißhaarigen Harry Dunne gar nicht zugetraut. Furcht, Unsicherheit, Verlegenheit, ja – aber keine Wut. Zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß Bryson hervor: »Wenn hier einer Grund hat, sauer zu sein, dann ich. Sie haben mir Killer auf den Hals gehetzt, in Paris stationierte halb gare Schnösel.«
Dunne schnaubte verächtlich und zupfte eine neue Zigarette aus der Schachtel, die in der Brusttasche seines zerknitterten grauen Jacketts steckte. Er setzte sie auf die Zigarettenspitze, zündete sie an und ließ das Streichholz in den Aschenbecher fallen. »Sie haben doch eigentlich mehr drauf, Professor«, sagte Dunne kopfschüttelnd und stellte sich wieder vor das Panoramafenster, das einen prächtigen Ausblick auf die grünen Hügel Virginias bot. »Schauen Sie, im Grunde ist die Sache ganz einfach. Wir haben Sie losgeschickt in der Hoffnung, dass Sie einen Schleichweg zurück ins Direktorat finden. Stattdessen lassen Sie unsere einzigen viel versprechenden Kontakte zu diesem Haufen auffliegen. Und dann tauchen Sie ab – wie ein gedungener Killer, der seinen Auftrag erledigt hat.« Er drehte sich zu Bryson um und blies ihm seinen Rauch ins Gesicht. »Wir dachten, das Direktorat wäre für Sie passé. Aber das war wohl ein Irrtum, nicht wahr?«
»Was zum Teufel wollen Sie mir eigentlich sagen?«
»Ich möchte, dass Sie sich einem Test mit einem Lügendetektor unterziehen – obwohl es ja doch das Erste ist, was man Ihnen und Ihresgleichen beibringt, nämlich wie man diese Kiste austrickst. Habe ich Recht?«
Mit einem Ausdruck der Entrüstung warf Bryson eine mit blauem Kunststoff laminierte Karte auf die einzig freie Stelle auf Dunnes Schreibtisch – den CIA-Ausweis aus der Brieftasche des toten Motorradfahrers, der ihm und Layla von Jacques Arnauds Château aus nachgejagt war. »Sie wollen wissen, wie ich ins Haus gekommen bin?«
Dunne nahm die Karte zur Hand und musterte sofort das Hologramm, indem er es so gegen das Licht hielt, dass das dreidimensionale Logo der CIA sichtbar wurde. Dann suchte er und fand den zwischen zwei Kunststofflagen eingeschweißten Magnetstreifen. Alle CIA-Beamten und nur sie hatten eine solche Karte; sie war absolut fälschungssicher. Dunne schob die Karte in das Lesegerät, das auf seinem Schreibtisch stand. Auf dem großen blauen Computerbildschirm erschienen Personendaten und ein Porträt, das Bryson mit seinem veränderten Äußeren durchaus ähnelte.
»Aus der Pariser Dienststelle. Verflucht, woher haben Sie diese Karte?«, wollte Dunne wissen.
»Werden Sie mir zuhören?«
Dunne kniff argwöhnisch die Brauen zusammen. Er setzte sich an den Schreibtisch, entließ zwei Rauchstöße aus der Nase und drückte die erst zur Hälfte gerauchte Zigarette aus. »Lassen Sie mich vorher Finneran rufen.«
»Finneran?«
»Mein Assistent. Sie sind ihm schon begegnet,
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