Der Prophet des Teufels
aufgelegt, und um wieviel besser wurde sie dann abgespielt. Wo ist das Licht, der Duft? Wo bleibt die Erschöpfung des Magiers? Wo bleiben die Schweißperlen, die er ihm in einem unbemerkten Augenblick auf die Stirne zu tupfen pflegt?
»Wir wollen zwei Dinge unterscheiden«, sagt er kalt, »den Beruf und das Privatleben. Im Beruf stehe ich Ihnen voll und ganz auch weiterhin zur Verfügung, Meister. Aber privat, denke ich, lassen wir den Zauber. Oder haben Sie schon einmal einen Feuerschlucker gesehen, der zu Hause Feuer ißt statt panierter Schnitzel?«
»Du tust mir leid«, sagt schleppend Hanussen. »Geh in dein Unglück! Ich will heute niemanden sehen und hören. Geh zu deiner Braut! Sie weiß, was ihr bevorsteht. Vielleicht hat sie mehr Vernunft als du.«
Grace empfängt Dzino zärtlich. Sie gehen zusammen essen. »Ich habe mit dir zu reden«, sagt Dzino. »Ich plane ein Attentat.«
»Auf mich?«
»Natürlich. Ich habe etwas ganz Seltsames, etwas ganz Altmodisches vor: Ich will dich heiraten.«
Das Lächeln auf Graces Gesicht weicht einer hilflosen, verkrampften Grimasse.
»Ich liebe dich, Dzino. Das weißt du. Ich würde dich für mein Leben gern heiraten.« Sie zupft mit ihren Fingern an ihrer Handtasche. »Aber das geht nicht.«
»Warum?«
»Ich darf nicht.«
»Warum?«
»Du wirst mich auslachen.«
»Mir ist nicht zum Lachen.«
»Wenn ich heirate, werde ich erschossen. Mein Mann wird mein Mörder sein. Das wurde mir prophezeit. Das Schlimme ist, daß ich daran glaube. Ich spüre es. Ich weiß, daß es stimmt. Ich muß vernünftig bleiben.«
Ihre Augen sind feucht. Sie streichelt mit einer hilflosen Gebärde Dzinos Hand. Die Gäste im Lokal werden aufmerksam und reißen Witze.
»Schluß mit diesem Unsinn!« erwidert Dzino heftig. »Jetzt will ich dir etwas weissagen: Der Prophet mit seinem Unsinn, dieser Mann, der dich geschreckt hat – es war Erik Jan Hanussen. Oder nicht?«
Sie sieht ihn überrascht an.
»Eines Tages mußt du es wissen«, fährt Dzino fort, »ich bin sein Assistent.«
»Nein«, ruft Grace erschrocken.
»Ja«, entgegnet Dzino. »Ich bin der Mann, der die Kulissen schiebt. Ich bin der Mann, der die Handtaschen durchsucht, auf deren Grund Hanussen seine Weisheiten findet. Ich bin der Mann, der die Besucher aushorcht, der die Spitzel einsetzt und die Honorare festlegt. Begreifst du das nicht? Erik Hanussen ist ein Artist. Ein glänzender Artist. Weiter nichts. Theater. Nichts als Theater. Glück und Glanz. Und die Ohren, Augen und Hände des dummen Ismet Dzino.
Soll ich dir sagen, wie oft sich Hanussen irrt? Soll ich dir einen Beweis liefern? Soll ich dir vorführen, wie er heute abend in der ›Scala‹ vollständig versagt, wenn ich ihm die falschen Stichworte zuflüstere?«
»Bei mir war das anders. Das war keine Artistik. Das war kein Bluff. Das war echt. Vielleicht hat Hanussen selbst nicht gehört, was er sagte«, erwidert Grace zögernd.
Dzino lacht.
»Jede Geste war einstudiert. Glaub mir's. Er wollte entweder dir imponieren oder irgendwelchen Leuten an der Bar. Es war eine Gratisvorstellung aus Werbegründen. Es ist ihm völlig egal, was er prophezeit. Du wirst sterben, hat er gesagt. Natürlich wirst du eines Tages sterben. Der Mann, der dich heiraten wird, wird dich ermorden? Barer Unsinn! Noch nie hat ein Mensch, der ermordet werden sollte, dagegen protestiert, daß er nicht ermordet wurde. Merkst du Hanussens Trick nicht? Er prophezeit so viel, daß ein Teil davon in Erfüllung gehen muß. Das Unangenehme, das Düstere an seinen Weissagungen vergessen die Leute gern. Im Grunde glaubt der Mensch nur, was er gern glaubt. Das andere ist nur eine Sekunde, ein paar Minuten, eine Stunde da. Dann hat er es vergessen. Und er ist froh darüber.«
Grace weint. Sie versucht, die Tränen zu verbergen, aber sie fließen nur noch dichter. Sie gehen.
»Sei vernünftig«, sagt Dzino. »Alles, was um Erik Jan Hanussen geschieht, ist Illusion!«
»Wird er zugeben, daß seine Prophezeiung nur so dahingesprochen war? Wird er sagen, daß sie gar nicht stimmt, wenn ich ihn noch einmal frage?«
»Niemals«, entgegnet Dzino, »das gehört zu seinem Metier. Er darf sich nicht selbst berichtigen. Das würde sein Geschäft verderben.«
»Ich liebe dich wirklich, Ismet«, sagt Grace. »Aber ich werde dich niemals heiraten.«
Drei Tage später findet die Hochzeit statt. Im kleinen Kreis. Es sind nur die intimsten Freunde geladen. Von einer Ecke des Saales her weht eisiger Wind.
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