Der Protektor (German Edition)
Leute, mit denen er zusammengearbeitet hat, vor allem die aus der Radiologie. Hanna Falk, Kevin, vielleicht jemand, der im Augenblick noch im Schatten steht. Mir gefällt nicht, dass Doktor Ivarsson nicht da ist und unmittelbar vor dem Mord verreist ist. Es kann ein Zufall sein, aber es werden mir langsam zu viele Zufälle. Ivarsson fährt genau an dem Tag weg. Lundgren findet sich genau am Unfallort ein. Der Landrover hält genau hinter Bressons Auto… Die Erfahrung hat mich gelehrt: Wenn sich die Zufälle häufen, gibt es einen inneren Zusammenhang. Wir kennen ihn nur nicht.
Und das ich einen Teil des Kreises nicht auslasse: die Nebenstelle in Garvaregarden, die Doktor Falk erwähnt hat. Zu dieser Nebenstelle war ja Bresson an dem Unglücksabend unterwegs; ich sollte auch hinfahren. Dabei werde ich noch einmal die Stelle an der Kurve inspizieren, sofern es der Nebel zulässt. Dann sehe ich die Lage der Meeresarme. Was Lundgren da angedeutet hat, kam mir gestern bemerkenswert und wichtig vor, aber jetzt, bei Tageslicht, beginnt es zu verblassen und wird zum Fantasieprodukt eines Journalisten. Schöpferische Ausarbeitung der Vorstellungskraft, wie es in diesen Kreisen heißt. Ein Kanal für Drogenschmuggler, die aus irgendeinem Grund an den Mord interessiert waren? Oder die Gruppe, die Bresson aufgelauert hat, ist nicht mit dem Auto, sondern mit einem Motorboot gekommen und mit ihm wieder verschwunden? Das scheint mir weit hergeholt und auch unnötig.
Irgendwo muss ich auch die Vernehmung des Lkw-Fahrers in meinen Plan einbauen. Ich werde Charlie Hedlund bitten zu dolmetschen, der Fahrer wird wohl kaum eine andere als seine Muttersprache sprechen.
Ich ziehe mich an, setze mich hin und schreibe die Fragen auf, die ich dem Fahrer stellen will. Aus dem Radio tönt leise, angenehme Musik, ab und zu von der Werbung unterbrochen. So ist das. Damit man Giuseppe Verdi hören kann, muss man sich auch die Vorzüge irgendeines Spülmittels anhören.
Ich denke auch an diesen Fahrer Gabriel Andersson, dessen Aussage recht dürftig ist. Er will die Lichter vor der Kurve bemerkt, aber einen Zusammenstoß nicht vorausgesehen haben. Der Aufprall sei plötzlich gekommen, er habe einen stechenden Schmerz gespürt und das Bewusstsein verloren. Aufgewacht sei er auf dem Asphalt. Es bleiben allerhand Punkte, die ich gern klarer sehen würde. Und vor allem möchte ich ihn über einige Fahraufträge und Adressen von Raststätten befragen. Das Büro des Transportunternehmens „ Neele„ befindet sich ebenfalls in Garvaregarden, sodass ich den Besuch mit der Fahrt zur Nebenstelle und einer neuen Ortsbesichtigung verbinden kann.
Ich packe mein Köfferchen und gehe ins Foyer hinunter. Auf der Treppe wechseln Leute Grüße – die meisten Gäste kennen hier einander offenbar. Draußen blubbern erstickt zwei Busse.
Mir bleiben ein paar Minuten, und ich nutze sie aus, indem ich mich aus den Automaten mit belegten Brötchen und Kaffee verpflege. Ich weiß nicht, kann sein, ich bin’s nur nicht gewöhnt, aber es liegt etwas Abstoßendes darin, von meiner Maschine genau abgezirkelte Kalorien zugeteilt zu bekommen. Andererseits wird der Automat nicht „Kollege kommt gleich!“ sagen.
Ich lasse mich in einem Sessel nieder, und während ich geduldig die mir von den Automaten zugezählten Kalorien hinunterschlucke, beobachte ich die morgendliche Hast um mich herum. Stimmengewirr in verschiedenen Sprachen, ein Lehrling schiebt ein Wägelchen mit Koffern von Abreisenden vor sich her, lachend und mit unverständlichen Ausrufen kommt eine Gruppe Mädchen gelaufen. Ich wäre gern einer von denen, die da um mich herum sind, möchte ans Labor denken, das auf mich wartet, und an den Versuch von gestern mit den Kaninchen, die weise mit den Ohren wackeln. Und Tyra soll das Gestell mit den Reagenzgläsern gegen das Fenster heben und so stehen bleiben, zart und ruhig in ihrem zu langen Kittel.
So hat Yanni gedacht. Mein Versuch sieht anders aus. Und die Versuchstiere sind keine Kaninchen.
„Sie sind Doktor Bouché, nicht wahr?“
Ich drehe mich um. Aus der kleinen Schlange, die vor der Bar ansteht, kommt ein junger Mann auf mich zu, vielleicht nicht älter als dreißig, mit dichtem, schwarzem Haar und lebhaften Augen.
„Ich bin Leo Hausen … Doktor Leo Hausen. Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe.“
Wir geben uns die Hand. Leise fügt Hausen hinzu: „Kann ich mal eine Minute mit Ihnen sprechen?“
„Selbstverständlich.“
Wir gehen ein
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