Der Protektor (German Edition)
bisschen zur Seite, völlig überflüssigerweise von meinem Standpunkt aus, mehr zu seiner Beruhigung.
Wenn uns jemand zuhören wollte, nützte uns das gar nichts.
„Ich wollte Ihnen schon gestern etwas zeigen, aber Sie waren schon weg“, sagt Hausen. „Vielleicht ist es von Bedeutung, ich weiß es nicht. Man erzählt sich, dass Sie Doktor Bressons Protokolle angesehen haben.“
„Das stimmt. Und was wollen Sie mir zeigen?“
„Ein paar Notizen von ihm.“
„Genauer?“
„Wie soll ich sagen…“ Hausen zieht die Brauen zusammen. „Es sind schriftliche Bestellungen von Versuchstieren. Sie selbst sind unwichtig, aber er hat sich auf der Rückseite ein paar Notizen gemacht. Und weil Doktor Falk mich unterrichtet hat, dass wir die Versuche wiederholen werden… Deshalb.“
„Wo sind die Notizen?“
„Im Institut. Ich habe sie eingeschlossen.“
„Gut. Ich danke Ihnen“, sage ich. „Ich hoffe, gegen Mittag im Institut zu sein. Dann melde ich mich ganz bestimmt.“ Er nickt und entfernt sich rasch zu den Bussen, ich trinke den letzten Schluck meines kalt gewordenen Kaffees aus und gehe in die Feuchtigkeit hinaus, die über der Stadt liegt.
Bestellzettel mit Notizen. Ich habe Hausen nicht gefragt, wie sie in seine Hände gekommen sind, und das kann von Bedeutung sein.
Die Nebelscheinwerfer schneiden vor dem Auto einen gelben Kreis heraus, und ich bemühe mich, jenseits der weißen Linie zu bleiben. Von Zeit zu Zeit habe ich das Gefühl, auf der Stelle zu stehen, jedoch die Kurven und Lichter des Gegenverkehrs, die gleichsam direkt aus dem Asphalt hervorspringen, bringen mich in die Wirklichkeit zurück. Diese Lichter haben etwas Hypnotisches, sie ziehen gewissermaßen von selbst mein Lenkrad zu sich hin. Nur die weiße Sperrlinie hindert sie, auf mich zuzuschießen. Dann huschen sie vorbei, das Brummen der Motoren ebbt ab, und es bleibt erneut nur der gelbe Kreis, dem ich unentwegt nachjage.
Ich nähere mich der Stelle, habe sie mir nach dem Verkehrszeichen gemerkt, dessen aufleuchtende Augen jetzt an der Straßenbiegung und den Felsen erscheint.
Ich stelle den Volvo bei den Felsen ab und überquere die Straße bei der Kurve.
Unterhalb der Leitplanken wogen Nebelschwaden, streifen die spitzen Steine, zerreißen. Und unter ihnen schimmert die eiskalte Tiefe. Vor mir erkenne ich verschwommen die geisterhaften Umrisse andere Felsen, die wirr durcheinander in der kleinen Bucht liegen.
Erik Lundgren hat recht. In diesen Meeresengen und Felsenlabyrinthen sind die Polizeiboote machtlos. Und es wird sich auch kaum jemand die Mühe machen, jede kleine Bucht zu kontrollieren.
Das ändert die Lage. Und die Ereignisse in jener Nacht können ganz anders abgelaufen sein, als ich es mir vorstelle. Wenn hier unten, nur zwanzig Meter von der Kurve, ein Motorboot gelegen hat und Bressons Mörder darin saßen, muss ich zu meinen bisherigen Versionen eine weitere hinzufügen. Und zwar eine sehr ernst zu nehmende. Von meiner Überzeugung, dass ich – auf Lundgrens Filmstreifen festgehalten – sämtliche handelnden Personen bei diesem Unfall habe, bleibt nichts übrig. Das Motorboot ist gekommen und wieder abgefahren. Das andere ist Tarnung.
Wütend und bedrückt schaue ich auf die scharfgradigen Felsen hinunter, und meine Hände werden steif von der Kälte der Leitplanke. Hinter mir fahren, gleichsam tastend, Autos vorbei, leuchten mich mit ihren Scheinwerfern an, und über den Nebel huscht ein gigantischer, missgestalteter Schatten – meiner.
Hier habe ich nichts weiter zu tun. Ich muss der Patience eine weitere Möglichkeit hinzufügen.
Langsam kehre ich zu dem Auto zurück und fahre weiter nach Garvaregarden.
Kurve auf Kurve. Ich nähere mich dem ins Meer vorspringenden Städtchen, und der Nebel beginnt sich allmählich zu lichten. Zu beiden Seiten tauchen die verwischten Umrisse von Wochenendhäusern mit steilen Dächern, silbrige Tannen und Bögen aus weißem Stein auf. Darauf folgen die Pensionen und Hotels, die ihre gläsernen Fronten einer knauserigen Sonne zugekehrt haben, die über die Bucht aufgestiegen ist und mit ihrem metallischen Licht wie die Sonne eines fremden Planeten funkelt. Die Straßen werden zu Straßen eines kleinen, aber wohlhabenden nördlichen Städtchens, das vom Urlaub Fremder lebt, mit Restaurants, Diskotheken, Souvenirläden, mit greller Werbung für den Saisonausverkauf und Reisebüros. Der Sommer ist vorbei, doch das Städtchen bemüht sich, sein anziehendes Aussehen zu
Weitere Kostenlose Bücher