Der Protektor (German Edition)
unruhiges Flackern.
„Und sind Sie allein gefahren?“
„Es ist uns verboten, Anhalter mitzunehmen.“ Andersson schüttelt den verbundenen Kopf. Ich bestehe nicht auf eine Präzisierung, obwohl seine Antwort noch keine ist.
„Überhaupt… Kommt es doch einmal vor, dass Sie jemanden mitnehmen?“, bohrte ich mit lästiger Hartnäckigkeit weiter.
„Wissen Sie, ich verdiene gut“ – Andersson lächelt schief -, „und möchte meine Stellung behalten. Für ältere Leute wie mich ist es nicht leicht, Arbeit zu finden.“
Klarer Fall. In dieser Richtung wird nichts herauskommen.
Ich bitte ihn, genau zu wiederholen, wie es sich zugetragen hat. Wie er Bressons Auto gesehen hat, wann er wieder zu sich gekommen ist. Andersson trinkt langsam seine Brühe und erzählt. Von Zeit zu Zeit verzieht er vor Schmerz das Gesicht und legt sich bequemer auf dem Kissen zurecht. Im Großen und Ganzen verstehe ich ihn, Hedlund übersetzt nur ein paar Einzelheiten.
Er habe Bresson im letzten Augenblick gesehen, als er wie eine Granate aus der Kurve geschossen kam, und habe den Zusammenstoß auf keine Weise verhindern können. Er erinnere sich noch, dass er das Lenkrad festgehalten und auf die Bremse getreten habe, weiter nichts. Wie lange er bewusstlos gewesen sei, wisse er nicht. Aufgewacht sei er außerhalb der Fahrerkabine, auf der Erde liegend.
So ist es, eine klassische Gehirnerschütterung.
Alles Weitere ist schon klar. Ich stehe auf und suche nur nach einer Möglichkeit für eine letzte Bemerkung. Und Andersson gibt sie mir.
„Meinen Sie…, dass ich bald wieder auf die Beine komme?“
„Sie schon“, sage ich. „Aber Osacr Matson nicht. Der ist tot.“
Es ist ein Schuss ins Dunkle, dem Schweigen folgt. Hedlund ist starr vor Staunen, in seinen blauen Augen steht Befremden. Und Andersson…da ist ein Augenblick, in dem er sich bemüht, mit seiner Miene Nichtverstehen auszudrücken.
Aber es ist mit Angst vermischtes Nichtverstehen.
Nur für den Bruchteil einer Sekunde. Seine Augen heften sich auf mich, als hätte er ein Gespenst gesehen. Dann ziehen sie sich zusammen – zwei scharfe Punkte, in denen der Wille bereits die Überraschung ausgelöst hat.“Ich kenne keinen Matson!“
„Aus dem Motorboot!“ Ich lasse nicht locker. „Dort wurde er erschossen. Und jetzt wird sein Mörder gesucht.“
„Sie irren sich, Herr Inspecteur générale“, erklärt Andersson und setzt die Tasse auf dem Tablett ab. In der Stille ist deutlich der Knall zu hören.
„Nehmen wir an, ich irre mich“, stimme ich zu. „Aber wenn Sie trotzdem überlegen und mich anrufen wollen, sehen Sie zu, dass es nicht zu spät ist.“
Ich schreibe die Telefonnummer meines Pensionszimmers auf meine Visitenkarte und lege sie auf das Nachtschränkchen. Andersson von Mullbinden eingefasstes Gesicht ist wie eine erstarrte Maske.
Draußen auf dem Korridor geht Hedlund schweigend neben mir her. Ich verstehe, wahrscheinlich ist er voller Zweifel und billigt diesen Schachzug nicht. Für ihn haben die Ermordung irgendeines Motorbootbesitzers und der Tod Bressons überhaupt nichts miteinander zu tun. Für mich sieht das anders aus, besonders, wenn ich an die klein gewordenen Pupillen Anderssons vor einer Weile denke.
Am Ausgang trennen wir uns. Hedlund bekommt für den Tag ein paar Aufträge, die ihm allerhand Laufereien einbringen werden, ich begebe mich durch die Allee auf den Weg ins Institut.
Der Nebel hebt sich und vom Meer weht salzige Feuchte herüber.
Unwillkürlich verlangsame ich den Schritt. Ich komme schon nicht zu spät.
Und wo will ich eigentlich so eilig hin? Diese herbe, ein wenig geisterhafte Schönheit ringsum nimmt auf einmal die Spannung von mir, die noch in den Schläfen pocht. Ich werde ein bisschen die samtigen Blätter auf den Asphalt betrachten, die kahlen Äste und dieses matt glänzende, unwirkliche Sonnenlicht, in das der Park getaucht ist und in dem es keine Schatten gibt.
Möchte gern wissen, wie mein Gegner ist. Nicht der mit dem Finger am Abzug – der ist eine hirnlose Zugabe zum Gewehrlauf, den kann ich mir gut vorstellen, sondern der andere, der in der Zentrale. Wahrscheinlich ist er intelligent, erfahren, hat sogar Sinn für Humor. Nur in den Comics werden sie als primitive Typen mit quadratischem Unterkiefer gezeichnet. Die gibt es auch, aber die werden bloß für die Schmutzarbeit angeheuert, Auftragsmörder, denen der andere nicht einmal die Hand geben würde, wenn sie das Glück hätten, ihn zu Gesicht
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