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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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zu bekommen. Er ist der unzugängliche Chef des nüchternen Büros mit einem Cordon von Sekretärinnen und unsichtbaren Bodyguards. Auf Reisen begibt er sich, wenn es nötig ist: Buenos Aires, Vancouver, Manila. Immer glatt rasiert, keine Knitterfalten in den Anzügen, die er für Büro und Abend wechselt. Die Familie in der Schweiz, die Söhne im Siena College, aber Freidenker, das gehört zum guten Ton.
    Für ihn ist der Fall Bresson fast abgeschlossen. „Fast“ heißt, dass jemand von seinen Untergebenen noch nicht gefunden hat, was er nach Bressons Tod sucht, er redet sich noch heraus, kommt aber nicht weiter. Kann auch sein, er entschuldigt sich mit mir. Dem anderen wird berichtet, was ich unternehme: ein Experiment auf der Landstraße, meine Treffen mit dem kecken, mutigen Erik Lundgren, der Besuch in der Nebenstelle und bei Gabriel Andersson. Nichts Wesentliches, nichts, was ihn erschrecken könnte, ihn oder jemanden von seinen Leuten. Die Bilanz ist negativ für mich, meine Chancen sind gering. Und gerade, weil ich kaum Chancen habe, bin ich noch am Leben. Aber könnte ich nicht…
    Und so kommt mir, während ich in dem Licht, das keine Schatten wirft, durch die Allee schreite, eine Idee.
    9. Doktor Leo Hausen vom Labor
     
    Gemeinsam mit Leo Hausen trete ich in die Rotonde. Ich nehme an, er hat auf mich gewartet oder dem Pförtner gebeten, ihm Bescheid zu sagen, wenn ich komme, denn er erscheint im Korridor. Eigentlich hatte ich vor, zuerst zu Doktor Falk zu gehen, aber das eilt nicht.
    Drinnen ist alles, wie ich es zurückgelassen habe – die Journale auf dem kleinen Tischchen, die Zeitschriftenbündel mit nummerierten Pappschildchen, die dunklen, strengen Schränke. Die alten Bände glänzen hinter dem Glas mit ihrer Goldprägung auf den Rücken.
    Ich fordere Hausen zum Setzen auf, biete ihm eine Zigarette an. Er nimmt Feuer und zieht ein paar zusammengefaltete Zettel aus der Kitteltasche, nicht größer als Notizbuchseiten.
    „Bitte!“ Er reicht sie mir.
    Es sind Abschnitte von Formularen zur Bestellung von Versuchstieren. Es gibt solche Blöcke zum Durchschreiben: Sie werden ausgefüllt und die eine Hälfte für den Empfänger abgerissen. Eine ziemlich altmodische Angelegenheit, aber wie jede altmodische Angelegenheit wird sie in Instituten mit Tradition heiliggehalten. Die Abschnitte sind von eben diesen Blöcken. Sie sind mit Bressons Handschrift ausgefüllt, und auf die weiße Rückseite hat er etwas geschrieben – irgendwelche Vermerke zu den Protokollen.
    „Ich danke Ihnen“, sage ich. „Sie wissen ja, dass wir jetzt alles über Doktor Bresson zusammentragen, wir wollen einige Versuche rekonstruieren…“
    „Ja, ich habe davon gehört“, bestätigt Hausen. „Sie müssen es ja wissen.“
    Dieses. „Sie müssen es ja wissen“ klingt mir recht merkwürdig in den Ohren. Doch anscheinend legt Hausen nichts weiter in diese Worte hinein. Er raucht und wartet ab.
    „Ich habe ein paar Fragen an Sie, gerade, weil ein Teil der Versuche wiederholt werden muss.“
    „Bitte.“
    Hier bediene ich mich eines primitiven Tricks, obwohl mir bewusst ist, dass sich das erübrigt – Hausen ist intelligent genug. Ich schaue mir die Abschnitte an und frage: „Wo haben Sie die übrigens gefunden?“
    Er lächelt kaum merklich.
    „In meinem Kittel.“
    Es ist nur natürlich, dass ich auf eine Fortsetzung warte.
    „Vor drei, vier Tagen“, fährt Hausen fort, „war ich im Vivarium. Wie es passiert sein mag… Sicherlich hat er die Kittel verwechselt.“
    Er zieht an seiner Zigarette und erklärt: „Ich habe sie in meiner Tasche gefunden, aber nicht weiter darauf geachtet. Ich wollte sie ihm geben, dann habe ich’s vergessen… Wir werfen ja diese Abschnitte einfach weg. Und erst gestern, als ich erfuhr, dass Sie sich damit beschäftigen…“
    Er schaut vielsagend auf die Journale.
    Es ist glaubwürdig, das weiß ich. Es gab eine Zeit, da fand ich auch in meinem Kittel fremde Zigaretten und Notizen. Und Hausen hätte wohl kaum einen Grund die Wahrheit zu verbergen.
    „Hoffentlich helfen sie weiter“, sage ich. „Ich sehe sie mir an und gebe sie dann Doktor Falk. Übrigens, weil wir einmal angefangen haben: Können Sie sich erinnern, wann Sie Doktor Bresson zum letzten Mal gesehen haben?“
    „Selbstverständlich. Am Abend, bevor er ums Leben kam.“
    Er sagt das so ruhig, als handle es sich um die natürlichste Sache der Welt. Kann sein, er verstellt sich, aber dann meisterhaft. Ich brauche ihm

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