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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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hat Hausen gesagt. Doch Bresson hat sie aufgehoben, folglich muss etwas für ihn Wichtiges darauf gestanden haben.
    Ich ziehe die Journale zu mir heran und blättere die Seiten um – ich will die Versuche finden, für die diese Tiere bestellt worden sind. Ich finde sie nach den Daten und vergleiche. Es sind sechs Kaninchen für Untersuchungen zur Immunität bei Verpflanzungen, die er mit Ivarsson zusammen gemacht hat. Bearbeitet wurden sie von Tyra. Danach wurden sie programmgemäß bestrahlt – es ist schon ziemlich lange her, anderthalb Monate. Auf der Rückseite der Abschnitte hat sich Bresson irgendwelche Notizen gemacht: Da gibt es Berechnungen von radiologischen Dosierungen, die er danach durchgestrichen und von neuem berechnet hat. Auf dem einen Abschnitt hat er, wahrscheinlich später und mit einem anderen Kugelschreiber vermerkt:
    „Sie sind irrtümlich hingegeben, mein Lieber!“
    Darunter:
    „Muss mit Hugo überprüft werden! Vier?“
    Ich starre auf die beiden Zeilen und begreife nichts. Das ist ganz sein Stil – seine Bemerkungen sind meist in der zweiten Person: „mein Lieber“, „teurer Doktor“, aber im Übrigen ist es ein merkwürdiges Abrakadabra. Was ist irrtümlich hingegeben? Die Tiere? Und was muss mit Hugo überprüft werden?
    Ich drehe den Zettel nach allen Seiten – nein, weiter ist nichts. Nur die Berechnungen und diese beiden Zeilen. Zugleich spüre ich, dass diese Sätze wichtig sind, dass sie etwas bedeuten, was ich unbedingt herausfinden muss.
    „Vier?“
    Es kommt mir wie ein Kreuzworträtsel vor, aus dem Wörter herausgenommen wurden und genau das Unnötige stehen geblieben ist. Doch die Sätze stehen im Zusammenhang mit den Berechnungen, sonst hätte sie Bresson nicht so hingeschrieben.
    Hugo Ivarsson hat etwas überprüfen sollen. Und wahrscheinlich eins von diesen Details, die nur sie beide kannten.
    Die Erregung treibt mich vom Stuhl hoch, ich gehe in der Rotonde hin und her. Dann kehre ich wieder zu den Journalen zurück, verfolge den Weg dieser Tiere. Sie wurden im Vivarium für das allgemeine Thema „Verpflanzung“ bestellt.
    Tyra hat sie am Morgen des nächsten Tages bearbeitet, sie wurden in die Radiologie zur Bestrahlung gebracht und ins Vivarium zurückgeschafft, jedoch in die Käfige für Tiere im Versuch. Im weiteren Verlauf sind zwei von den Kaninchen gestorben, vier blieben am Leben. Ich sehe nichts Besonderes. Ähnliche Versuche finden sich in Bressons Protokollen auch an anderen Stellen.
    Ivarsson muss her. Doch der ist schon längst in Paris oder in La Motte-Servolex bei seiner kranken Mutter oder sonst wo. Während ich versuche, ihn ans Telefon zu bekommen, geht wertvolle Zeit verloren. Und was kann ich ihm sagen? Dass Doktor Bresson, mit dem er zusammengearbeitet hat, bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Dass ein Inspecteur générale aus Paris den Fall untersucht und ihn zu erklären bittet, was er überprüft hat im Zusammenhang mit etwas, das irrtümlich hingegeben wurde.
    Ich stelle mir das verwunderte Schweigen am anderen ende der Leitung vor. Dann: Kollege Bresson ist ums Leben gekommen? Wie bedauerlich. Aber was hat das… und überhaupt… Ja, er werde gegen Ende des Monats zurück sein, und wenn dann der Herr Inspecteur générale (wie war bitte der Name?) noch in Krongatan sei, werde er sich gern mit ihm treffen. Aber etwas von größerer Wichtigkeit weiß Doktor Ivarsson nicht.
    Die hiesige Telefonistin wird uns unterbrechen, mit freundlicher Stimme die angelaufenen Gebühren für das Gespräch ansagen. Doktor Ivarsson kann einfach nicht verstehen, was ich wissen will. Wenn ich bis Ende des Monats in Krongatan sei…
    So wird es sein. Höfliche Entschuldigungen und Schluss. Ich laufe wie nicht ganz richtig im Kopf vor den Schränken hin und her, als könnte mir die Bewegung auf dieser geschlossenen Kurve helfen. Schließlich kann sich die Notiz über diesen Fehler als völlig bedeutungslos, das Kopfzerbrechen über das Kreuzworträtsel als überflüssig herausstellen.
    Ich muss Tyra fragen, die hat ihm hier am nächsten gestanden.
    Deshalb schließe ich die Rotonde mit ihren Journalen ab und bin eine Minute später in Bressons Labor. Tyra sitzt am Arbeitstisch vor dem Fenster und verteilt mit einer Pipette Lösungen in ein paar Kolben. Ich beeile mich, sie zu beruhigen – nein, es ist nichts, ich werde mich bloß auf den Hocker am Nebentisch setzen und zusehen.
    Sie ist mit ihren geräuschlosen und exakten Bewegungen eine Laborantin

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