Der Protektor von Calderon
Waffe ordentlich auszurichten. Dann nickte er dem Ersten Speer zu und ging hinüber in den Sitzungssaal.
Der Sitzungssaal befand sich in dem massiven Steingebäude für den Befehlshaber, das die Erste Aleranische nach der allerersten
Schlacht gegen die Canim errichtet hatte. Der Raum mit dem großen Tisch aus Sandstein und den Schiefertafeln an den Wänden war dazu gedacht, den Befehlsstab zweier Legionen unterzubringen - deshalb gab es alles in dem Raum doppelt. Im Augenblick allerdings herrschte in dem Zimmer vor allem dicke Luft, weil sich hier ungefähr drei Dutzend der wichtigsten Männer und Frauen von Alera drängten.
Tavi kannte einige von ihnen vom Sehen, jedoch konnte er die meisten anhand ihrer Farben einordnen und wusste, welcher Ruf ihnen vorauseilte. Gaius saß natürlich ganz vorn auf einer kleinen Plattform ein paar Zoll über dem Boden erhoben. Er wurde flankiert von zwei Mann der Fürstlichen Leibwache, und Ritter Cyril, der eigentliche Gastgeber der Versammlung, saß neben ihm. Sein metallgewirktes Ersatzbein glänzte im Licht der Elementarlampen.
Im Raum verteilt waren weitere bedeutende Persönlichkeiten des Reiches anwesend: Der Hohe Fürst und die Hohe Fürstin von Placida hatten in der vordersten Reihe neben dem schon älteren Hohen Fürsten von Cereus Platz gefunden. Ritter Miles, seines Zeichens Hauptmann der Kronlegion, saß neben Letzterem, obwohl Tavi keine Ahnung hatte, weshalb Miles der Mund offenstand. Bestimmt musste jemand Miles erzählt haben, dass Tavi die Rolle des Rufus Scipio spielte. Weiter hinten lehnte, träge wie ein gelangweilter Schuljunge, ein Mann an der Wand, bei dem es sich nur um den Hohen Fürsten von Aquitania handeln konnte. Mehrere Männer, die aussahen wie Freunde von Aquitania, standen neben ihm. Gegenüber auf der anderen Seite sah Tavi die Gräfin Amara, die genau die gleiche Haltung eingenommen hatte, vielleicht, um sich insgeheim über den zweitmächtigsten Mann des Reiches lustig zu machen - an einer Stelle, wo sie alles genauestens beobachten konnte, was der Hohe Fürst und seine Verbündeten unternahmen. Senator Arnos, der Vorsitzende des Kriegsausschusses und ein Dutzend Berater und Verbündete bildeten die zweite Reihe, und Tavi spürte den kalten, berechnenden Blick des Mannes, als er eintrat.
»Ah«, sagte Gaius, und seine tiefe, volltönende Stimme erfüllte den Raum. »Willkommen, Hauptmann Scipio. Danke, dass du gekommen bist.«
Tavi verneigte sich tief vor dem Ersten Fürsten. »Mit größter Freude, Majestät. Wie kann ich dir zu Diensten sein?«
»Wir wollten gerade die verehrten Anwesenden über die Entwicklungen bezüglich der Rebellion auf den neuesten Stand bringen«, antwortete Gaius. »Ritter Cyril hat mir versichert, du wärst der geeignetste Mann, um einen kurzen Bericht der Ereignisse abzuliefern.« Gaius deutete in den vorderen Teil des Raums. »Wenn es dir nichts ausmacht, bitte.«
Tavi verneigte sich erneut und stellte sich vor die Versammlung. Er verbeugte sich vor den Adligen und Legionshauptleuten, holte tief Luft, ordnete seine Gedanken und begann. »Wie allseits bekannt ist, verteidigt die Erste Aleranische den Tiber gegen die Canim, seit diese in der Nacht der Roten Sterne vor zwei Jahren in unser Land eingefallen sind.
Seitdem haben wir gegen die Canim eine Reihe größerer Schlachten und viele kleinere Gefechte ausgetragen. Es war nicht leicht …«
»So schwierig kann es auch wieder nicht gewesen sein«, fiel ihm Senator Arnos ins Wort. Der Senator war ein kleiner Mann, der sein modisch langes Haar glatt nach hinten in einem Zopf zusammengebunden trug. »Schließlich hat ein unerfahrener Kommandant eine Streitmacht aufgehalten, deren Zahl seine eigenen halb ausgebildeten Legionares um das Zehnfache übertraf - vorausgesetzt, deine Schätzungen sind einigermaßen korrekt.«
Tavi überkam Sorge und Unruhe angesichts des harten, verärgerten Tons, mit dem der Senator sprach - doch beides verwandelte sich im nächsten Moment in Zorn, als er begriff, was der Mann mit seinen Worten eigentlich andeutete. Tavi ermahnte sich selbst, dass man die Glaubwürdigkeit eines Menschen am besten erschütterte, indem man ihn zu einem Gefühlsausbruch reizte. Also zügelte er sich. »Eine Reihe von Umständen hat sich zu unseren
Gunsten ausgewirkt«, erwiderte Tavi sachlich. »Am wichtigsten dabei war ein Zwist innerhalb der Canim-Führerschaft, zwischen dem Anführer der Kriegerkaste, Nasaug, und dem Anführer der Ritualistenkaste,
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