Der Puppen-Galgen
mußte sie mit diesen Veränderungen bei allen Puppen rechnen?
Sie hätte es testen können. Zum großen Wohnraum hin mit den hohen Fenstern führte ein offener Durchgang von der Diele aus. Sie brauchte nicht mal eine Tür zu öffnen, aber sie zögerte, weil ihr die gesamte Umgebung nicht geheuer war.
Plötzlich war sie froh, bald weggehen zu können.
Im kleinen Theater konnte sie zumindest für einige Stunden die Puppen vergessen und sie dieser Jane Collins überlassen. Nicht grundlos hatte Dracula II diese Person als Babysitter für die Puppensammlung bestimmt.
Da schellte es.
Irielle Fenton schrak zusammen. Sie wußte auch nicht, warum ihr Herz plötzlich raste. Sie erwartete keinen fremden Besuch, abgesehen von Jane Collins.
Noch öffnete sie nicht und warf der veränderten Puppe einen letzten Blick zu.
Ihre Haltung war unverändert. Noch immer war der Mund verzogen. Ob das dieser Detektivin auffiel?
Irielle wußte es nicht. Es konnte, aber es mußte nicht sein. Zwar hatte Jane Collins schon einige Abende in diesem Haus verbracht, aber es war mehr als unwahrscheinlich, daß sie sich die Sitzposition jeder Puppe genau gemerkt hatte. Irielle traute sich auch nicht, näher an die Puppe heranzugehen, um sie wieder in die korrekte Position zu setzen. Alles mußte so bleiben. Allerdings hätte sie gern nach den anderen Puppen geschaut, um zu sehen, was aus ihnen geworden war. Dazu fehlte ihr jedoch die Zeit, denn es klingelte bereits wieder.
»Ja, ich komme!« rief die Fenton und hoffte, ihre Nervosität unter Kontrolle zu kriegen. So ganz würde ihr das sicherlich nicht gelingen.
***
»Guten Abend, Irielle, hier bin ich!« Jane lächelte, bevor sie das Haus betrat.
»Hi. Schön, daß Sie gekommen sind, Jane!« Irielle trat zur Seite, damit die Detektivin eintreten konnte.
Jane hatte die Worte wohl gehört, aber sie waren ihr vorgekommen wie eine Floskel. Melle hatte mit ziemlich emotionsloser Stimme gesprochen und dabei den Kopf gesenkt, als könnte sie Jane nicht in die Augen schauen.
Die Hausherrin schloß die Tür, während Jane ihren Mantel auszog und ihn über die eine hohe Stuhllehne drapierte.
Dann drehte sie sich um.
Das Lächeln auf ihren Lippen verschwand, als sie in das Gesicht der Melle Fenton schaute. »Ist etwas mit Ihnen?«
»Nein, was soll sein?«
»Ich weiß es nicht. Aber Sie kommen mir so nervös vor, finde ich. Anders als sonst.«
»Wie anders denn?«
»Lassen wir das.«
»Nun ja, irgendwo haben Sie schon recht, Jane«, sagte Melle und hob die Schultern. »Ich bin tatsächlich etwas aufgeregt, denn es ist wohl der letzte Abend, wie ich das beurteilen kann. Ich glaube, daß die Handwerker fertig werden.«
»Ach!« staunte Jane. »Jetzt schon? Und mit allem?«
»Ja. Aber das braucht Sie nicht zu wundern. Es ist ja nur ein kleines Kellertheater gewesen. Keine großen Räumlichkeiten. Man kann sie schnell umbauen.«
Jane lächelte. »Ich freue mich darüber. Ich freue mich für Sie.«
»Damit wäre dann auch Ihre Arbeit beendet.«
»Das ja.«
»Haben Sie denn schon einen neuen Auftrag?«
»Noch nicht, aber darüber bin ich nicht traurig. Ich werde schon einen Folgejob bekommen.«
»Das wünsche ich Ihnen, denn Sie haben Ihre Arbeit wirklich gut gemacht und ernst genommen.« Sie räusperte sich. »Meinen Lieblingen ist jedenfalls nichts passiert.«
»Dafür habe ich gesorgt. Aber es ist auch einfacher, auf Puppen zu achten, als auf Menschen.«
»Wenn Sie das sagen!« erklärte Melle Fenton mit einem mokanten Lächeln.
Jane war über diese Antwort und vor allen Dingen darüber, wie sie gegeben worden war, ein wenig irritiert. Aber sie fragte nicht nach, denn Melle Fenton wandte sich rasch ab, um eine Jacke zu holen, die sie überstreifte. Auf die Armbanduhr blickend kehrte sie zu Jane Collins zurück. »Ich weiß leider nicht, wie lange es dauert. Es kann durchaus länger werden, Jane.«
»Schon klar, der letzte Abend.«
»Sie sagen es.«
»Eine Frage hätte ich trotzdem noch an Sie, Melle. Ich habe sie bisher nicht gestellt, weil es mich eigentlich nichts angeht, aber ich möchte sie trotzdem…«
»Bitte, fragen Sie.«
»Wissen Sie, Melle, ich wundere mich einfach darüber, daß Sie eine Detektivin als Aufpasser für Ihre Lieblinge engagiert haben. Das ist schon ungewöhnlich.«
»Für mich nicht.«
»Darf ich den Grund wissen?«
»Ja, gern. Schauen Sie sich um, Jane. Ich habe hier eine Sammlung aufgebaut. Sie wissen selbst, daß wir nicht eben in guten Zeiten
Weitere Kostenlose Bücher