Der Puppenfänger (German Edition)
berichten, und die Wahrheit herauszufinden. Man hatte Thomas Orthes und seinen Anwalt so platziert, dass sie Dieter und Michel gegenübersaßen. Dieter schaltete das Tonbandgerät ein und informierte den Mann über seine Rechte. Thomas Orthes zeigte ihm daraufhin seine wunden Hände und ein Paar weiße Stoffhandschuhe, sprach von einer Allergie und bat, die Handschuhe anziehen zu dürfen.
Nachdem Dieter zugestimmt und Tommy sich die Handschuhe übergestreift hatte, sah er Dieter aus rotgeränderten Augen an und meinte gelassen, er habe in der Nähe des Schlosses Dankern einen Verkehrsunfall verursacht, eine Person angefahren und Fahrerflucht begangen. Aus der Zeitung habe er erfahren, dass das Unfallopfer noch am Unfallort gestorben sei. Außerdem habe er zwei Menschen getötet, und er sei bereit, die Verantwortung für diese Taten zu übernehmen. Er beschrieb den Ort, an dem er die Leiche seines ersten Mordopfers, Gunnar Laxhoff, abgelegt hatte, und bat danach um eine Landkarte in einem großen Maßstab, auf der das Dorf Holte samt Umgebung zu sehen war. Als Anton die Karte gebracht und auf dem Tisch ausgebreitet hatte, wies Orthes auf einen Teich, in dem er die Leiche seines zweiten Opfers versenkt haben wollte. Während Friedrichs und sein Team sich auf den Weg machten, um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu überprüfen, erzählte Thomas Orthes länger als eine Stunde von seiner verstorbenen Verlobten Alexandra Rosenbring und beschrieb detailliert die Qualen, die Schöllen und Laxhoff ihr zugefügt hatten.
Dieter ließ ihn sprechen und unterbrach den gleichmäßigen Redefluss kein einziges Mal. Erst als Orthes seine Erzählung beendet hatte und schweigend auf seine behandschuhten Hände starrte, fragte Dieter, woher er all das so genau wisse und ob es einen Beweis für seine Anschuldigungen gebe. Daraufhin forderte Thomas seinen Anwalt auf, dem Kommissar Alexandras Tagebuch auszuhändigen. Nachdem Dieter es entgegengenommen und einen Blick hineingeworfen hatte, schlug er vor, eine kleine Pause einzulegen, um einen Kaffee zu trinken, und verließ mit Michel den Raum.
»Orthes muss einen Komplizen gehabt haben«, sagte Michel.
»Der Ansicht bin ich auch«, stimmte Dieter ihm zu, ehe er zum Telefon griff und Heide anrief.
*
Eigentlich hatte Heide ihr Vorhaben, bei Beate vorbeizufahren, bereits aufgegeben. Sie wollte Celia nicht warten lassen, aber noch wichtiger war es ihr, Dieter von den Ungeheuerlichkeiten zu erzählen, die sich vor nunmehr fast zwanzig Jahren in unmittelbarer Nähe des Dorfes Holte zugetragen hatten. Marianne Wanner hatte zwar den Namen Gerald Schöllen nicht genannt, aber Heide war sich fast sicher, dass das Verbrechen, dem Alexandra Rosenbring zum Opfer gefallen war, in einem direkten Zusammenhang mit der Vergewaltigung stand, die Gerald Schöllen in seinem Brief beschrieben hatte. Deswegen beschloss sie, über Lingen nach Nordhorn zu fahren, um auf dem Kommissariat persönlich mit Dieter zu sprechen.
Miss Marple meldete sich, als Heide den Ort bereits verlassen hatte. Sie fuhr an den Straßenrand, schaltete den Motor aus und nahm den Anruf entgegen. Als sie das Handy eine Viertelstunde später zurück in ihre Handtasche steckte, kannte sie den Grund für Marianne Wanners Schwächeanfall. Thomas Orthes saß in der Gegenwart seines Anwaltes im Vernehmungszimmer des FK1 in Lingen und hatte bereits zwei Morde gestanden. Heide wendete den Wagen. Sie wollte unbedingt mit Beate sprechen und ihr zur Seite stehen. Sie waren zwar nicht eng miteinander befreundet, aber da die Arme offensichtlich keine Freunde in der Nähe hatte, musste sie eben als Bekannte einspringen.
Beates Auto stand mit weit geöffnetem Kofferraum vor der Garage. Heide parkte ihren Wagen vor dem Fahrradschuppen, registrierte, dass neben Beates Fahrzeug mehrere Gepäckstücke lagen, und marschierte geradewegs zum Eingang. Hier stellte sie erstaunt fest, dass die Haustür sperrangelweit geöffnet war. Die Hilferufe, die aus der ebenfalls weit offenstehenden Kellertür nach oben drangen, hörte sie, noch ehe sie die Diele betrat. Sie warf ihre Handtasche auf den Garderobentisch und stieg, so schnell wie eben möglich, die Kellertreppe hinunter.
Beate bot ein beklagenswertes Bild. Sie saß, mit einer blauen Bluse und ihrem weiten Blumenrock bekleidet, barfuß auf dem grau angestrichenen Estrichboden des Vorratskellers, umfasste mit beiden Händen ihre rechte Wade und hatte den Rücken an ein Holzregal gelehnt, in dem volle
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