Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
Vom Netzwerk:
Martha sie. »Sicherlich hast du ein kleines Schwätzchen mit Marianne gehalten? Was hat sie dir erzählt?«
    »Sie ist eine sehr gut aussehende Frau«, wich Heide aus.
    »Das ist richtig!«, stimmte Tante Martha zu.
    »Allerdings finde ich rein optisch nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen Frau Wanner und ihrem Neffen«, sprach Heide ihre Gedanken laut aus, als sie auf die Dorfstraße fuhr.
    »Tommy kommt nach seinem Vater und nicht nach Therese. Therese war Mariannes jüngere Schwester. Sie ist bereits vor mehr als zwanzig Jahren gestorben. Die arme Marianne! Sie hat schon ’ne Menge Schlimmes mitgemacht. Man kann sich für sie freuen, dass sie einen netten Freund hat. Volker Heidmann heißt er. Er ist Anwalt.«
    »Ah so«, sagte Heide. Sie sortierte die verschiedenen Namen, wusste jetzt, dass Richard Wanner Mariannes Sohn, Volker Heidmann ihr Freund und Thomas Orthes ihr Neffe war. »Warum hat Frau Wanner die Apotheke nicht an ihren Sohn weitergegeben?«
    »Richard ist Ingenieur, genau wie sein Vater es gewesen ist.«
    »Tatsächlich!«
    »Richard und seine kleine Familie haben bei Marianne gewohnt, bis seine Frau Christina und ihre Zwillinge tödlich mit dem Auto verunglückt sind. Marianne hat ein großes Haus und einen riesigen Garten. Da war für alle Platz.«
    Heide warf Tante Martha einen skeptischen Blick zu. Sie war sich nicht sicher, wo in den Erzählungen der alten Frau die Wahrheit endete und die Phantasie begann. »Frau Wanner hat ihre Schwiegertochter und ihre Enkelkinder bei einem Verkehrsunfall verloren?«, hakte sie nach. »Das ist ja schrecklich!«
    »Hab ich doch gesagt!«, erwiderte die alte Dame ungeduldig. »Zu jung zum Sterben war sie, die Christina. Und die Kinder erst recht! Die gingen noch nicht mal in die Schule!« Tante Martha seufzte und fügte hinzu: »Die Marianne hat viele Gräber zu pflegen. Von der Beate wird sie keine Hilfe kriegen, wenn die den Tommy heiratet. Die ist faul.« Die alte Dame schwieg nachdenklich. Nach einer Weile murmelte sie: »Ich glaube manchmal, die beiden Mädchen vom alten Buttenstett, die Beate und auch die Simone, die heiraten Geld.«
    »Bitte?«, fragte Heide fassungslos. Sie wusste durchaus, dass Beate – wie jeder andere Mensch auch – ihre Schwächen hatte, aber bisher hatte sie nie den Eindruck gehabt, sie sei raffgierig.
    Heides Mitfahrerin lachte spöttisch auf. »Ich wüsste nicht, weswegen die Simone sonst den Schöllen geheiratet haben sollte, und ich weiß auch nicht, warum …«
    »Sind Schöllen und Wanner auch miteinander verwandt?«, unterbrach Heide sie.
    »Marianne Wanner und Gerald Schöllen, die haben nichts miteinander zu tun. Schöllen ist nur –?« Tante Martha überlegte. »Nur ein Zugereister! Ja, das ist der Schöllen. Nur ein Zugereister!«
    *
    Schöllen, der auf dem Dielenboden gelegen hatte, rappelte sich augenblicklich auf, als er seine Peiniger kommen hörte. Er setzte sich, streckte die Beine aus, lehnte den Rücken gegen den Holzpfosten und blickte ihnen erwartungsvoll entgegen. Bisher hatte er seine Bewacher nur im abendlichen Dämmerlicht vor Augen gehabt. Jetzt – da Tageslicht durch die Ritzen der handgearbeiteten, altmodischen Klappläden der drei Fenster fiel – stellte er fest, dass sie schwarze Lederhandschuhe trugen und unter ihren Umhängen Gummistiefel. Ihre Gesichter waren, wie an den vergangenen Tagen, hinter schwarzen Strickschläuchen verborgen, in die man lediglich Löcher für die Augen geschnitten hatte. Einer der beiden hielt mehrere Papierbögen in den Händen. Vielleicht, dachte Schöllen träge, würde er jetzt endlich erfahren, wie viel Geld sie für seine Freilassung verlangten und wer ihn gefangen hielt. Obwohl er jeden Einzelnen der kriminellen Bande, mit der er irgendwann im Streit gelegen hatte, durch sein Gedächtnis gejagt hatte, war ihm niemand eingefallen, der hierfür in Frage kam. Sollte er trotz der Müdigkeit, die ihn seit Stunden quälte und ihn am Denken hinderte, verhandeln, sobald man ihm Zahlen genannt hatte? Im Handeln und Feilschen war er erwiesenermaßen gut. Mühsam öffnete er seinen Mund, löste die trockene, klebrige, viel zu dicke Zunge und krächzte, so laut er konnte: »Wie viel muss ich für meine Freilassung bezahlen?«
    »Du bist ein Idiot«, brüllte einer der beiden und stellte einen Fuß auf Schöllens Oberschenkel.
    »Er ist ein Pisser, ein Ferkel mit einer vollgepinkelten Hose. Er stinkt wie ein Misthaufen«, krähte sein Kumpel und trat mit seinem

Weitere Kostenlose Bücher