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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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er seine letzte Mahlzeit am Sonntagabend eingenommen. Seit Tagen hatte er keinen Happen gegessen. Sein Magen fühlte sich an wie ein leerer Ballon. Ihm war so schlecht wie nie zuvor in seinem Leben. Er zog seine Beine an und legte die Stirn auf seine Knie. Der Gestank von seinem eigenen Urin stieg ihm in die Nase. Er begann zu würgen, hob den Kopf, spuckte Galle und weinte.
    Die Heirat mit Simone war der größte Irrtum seines Lebens gewesen. Leider ein Fehler, der sich schwerlich rückgängig machen ließ, ohne ordentlich in die Taschen zu greifen. Er eignete sich nicht zum Familienvater, und die Ehefrau Simone Schöllen hatte leider nicht gehalten, was die verheißungsvolle, anschmiegsame Geliebte einst versprochen hatte. Statt ihm im verspiegelten Schlafzimmer regelmäßig ein erotisches Sieben-Gänge-Menü zu servieren, kredenzte Simone seit Ingas Geburt einen äußerst dürftigen, mittelmäßigen Sexeintopf.
    Seit mehreren Monaten weigerte sie sich sogar, überhaupt mit ihm zu schlafen. Sie hatte, damit er ihr nicht zu nahe kommen konnte, die kleine Paula in Ingas Zimmer verfrachtet und ihr Nachtlager in der rosa Kitschstube aufgeschlagen, die zuvor Paulas Kinderzimmer gewesen war. Deswegen hatte er sich Sonntagnachmittag mit Gewalt holen wollen, was ihm als Ehemann zustand. Doch Simone hatte sich gewehrt wie eine Raubkatze. Es war ihm zwar gelungen, sie ordentlich zu vermöbeln, aber bevor er es ihr hart besorgen konnte, um ihr zu zeigen, wer das Sagen hat, war die Schlampe ihm entwischt. Sie hatte ihm mit voller Kraft in den Unterleib getreten und sich mit den Kindern im Bad eingeschlossen. Paula hatte wieder gebrüllt: ›Du bit böte un Ichad it lieb.‹
    Plötzlich fiel ihm ein, dass die beiden Gestalten, denen er unterschiedliche Namen gegeben hatte, um sie auseinanderzuhalten, ihn gezwungen hatten, einen handgeschriebenen Brief vorzulesen. Schattenmann, der grüne Gummistiefel trug, hatte gedroht, und Stiefelmann, der mit den blauen Gummistiefeln, hatte getreten. Leider hatte der Nebel, der einmal sein Gedächtnis gewesen war, den Inhalt des Schreibens verschluckt. Lediglich der Name der Verfasserin war irgendwo dort hängen geblieben, wo ein Hammer ihn laut dröhnend gegen seine Stirn schlug. Christina!, knallte es quälend laut durch seinen Kopf, ehe er in einen unruhigen Schlaf fiel. Chris-ti-na Chris-ti-na!
    *
    Kriminalhauptkommissar Fuchs hatte die Abendbesprechung der MK Dankern auf 21.00 Uhr festgesetzt. Michel Haila, Anton Trappe, Torben Cinke und Karel Friedrichs, der Spurensucher, saßen bereits am Besprechungstisch, als er eintrat. Wilhelm Imerhof stand allein am Fenster und starrte mit reglosem Gesichtsausdruck nach draußen. Bereits bei seiner Ankunft am Nachmittag war Dieter aufgefallen, dass Wilhelm Sorgen hatte. ›Dein Kollege Wilhelm Imerhof hat einen Tell‹, hatte Heide, die Pokerspielerin, ihm irgendwann verraten. ›Sobald er etwas verbergen möchte, kneift er seine Lippen zusammen und über seiner Nase bildet sich eine Falte. Gib dir etwas Mühe, und du kannst in seinem Gesicht lesen wie in einer Zeitung.‹
    Dieter hatte vor nunmehr drei Jahren die Leitung des FK1 in Lingen – das in der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim auch für Tötungsdelikte zuständig ist – übernommen. Er wusste die Fähigkeiten bestimmter Mitarbeiter durchaus einzuschätzen. Deswegen war ihm von Anfang an klar gewesen, mit wem er die Mordkommission besetzen würde.
    Sein Stellvertreter Michel Haila, alleinerziehender Vater einer Tochter, hatte seine Frau Barbara bei einem Verkehrsunfall verloren. An ihm schätzte Dieter besonders sein loyales, überlegtes Auftreten und die Fähigkeit, analytisch zu denken.
    Anton Trappe, Kriminaloberkommissar, Vater zweier Kinder, galt als typischer Schreibtischhocker, der Akten verschlang und sich gerne darin festbiss, ohne darauf zu achten, ob der Feierabend begonnen hatte. Das Verhältnis zwischen Anton und Wilhelm Imerhof war seit längerer Zeit gespannt. Wilhelm stand in dem Ruf, es mit der ehelichen Treue nicht sehr genau zu nehmen. Vor drei oder vier Jahren hatte er ein Verhältnis mit Antons Frau Gitte gehabt. Anton und Gitte Trappe waren mittlerweile geschieden. Wollte Dieter den Gerüchten im Hause Glauben schenken, war Leni Imerhof Ehekummer gewöhnt. Sie hatte Wilhelms Affäre mit Gitte Trappe hingenommen, wie viele andere zuvor, und ihrem Mann zum wiederholten Mal verziehen.
    Mit Torben Cinke und zwei ehemaligen Osnabrücker Kollegen spielte

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