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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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Geburt begonnen. Nachher hatte er sich jedes Mal bei ihr entschuldigt. Sie hatte ihm anfangs wirklich geglaubt, wenn er beteuerte, sein Verhalten tue ihm leid. Auf eine merkwürdige, unerklärbare Weise war sie ständig hin- und hergerissen gewesen. Einerseits hatte sie gehofft, es wäre wirklich vorbei, andererseits hatte sie immerzu mit der Angst gelebt, es könnte jeden Moment wieder passieren. Sie hatte sich klein und unbedeutend gefühlt, war entsetzlich einsam gewesen und hatte sich niemandem anvertrauen können.
    »Gerald hat schlicht und einfach die Nerven verloren, Richard«, erklärte sie überraschend gefasst. »Er muss seit Monaten gespürt haben, dass ich mich nicht länger in Besitz nehmen lassen würde, und mein Umzug ins Kinderzimmer war deutlicher als alles, was ich ihm zuvor prophezeit hatte. Ich hatte plötzlich keine Angst mehr vor ihm und habe mich gegen ihn gewehrt. Damit hatte er nicht gerechnet. Ebenso wenig, wie er begriffen hat, dass es mir ernst ist und ich ihn verlassen werde. Er hat schon immer dazu geneigt, lediglich jene Fakten zu akzeptieren, die er selbst geschaffen hat.«
    Richard räusperte sich. »Du hast Glück gehabt, Simone«, erwiderte er mit belegter Stimme. »Und du musst dich weder für etwas schämen, das er dir angetan hat, noch musst du dich rechtfertigen. Er hat Unrecht begangen, nicht du. Ich werde dafür sorgen, dass er dich nicht noch einmal misshandelt. Das verspreche ich dir.«
    »Inga hat mich heute Nachmittag gefragt, warum du uns gestern besucht hast. Morgen wird sie wissen wollen, weswegen du heute gekommen bist«, wechselte sie das Thema.
    Richard musste schmunzeln. Simone und er waren äußerst diskret. Trotzdem überraschte ihn Ingas Frage nicht. Seitdem er die Bambini-Gruppe des Tennisvereins übernommen hatte, sahen die Kinder in ihm zwar den Mann, der sie in der Halle oder auf dem Platz umherscheuchte. Aber sie fühlten auch, dass er sie sehr gerne hatte und ihre Mutter respektierte. Nur deswegen war es ihm in kürzester Zeit gelungen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihnen aufzubauen.
    »Und? Wie hast du diese Frage beantwortet?«
    »Ich habe ihr erzählt, dass wir einiges zu erledigen haben, damit das geplante Kinderturnier ein Erfolg wird.« Simone stand auf, kniete sich vor ihm hin und legte ihren Kopf in seinen Schoß. Während sie seine Hände in ihren Haaren fühlte, wünschte sie sich, sie säßen bereits mit den Kindern in einem Flugzeug und stießen mit einem Glas Sekt auf die gemeinsame Zukunft an.
    Richard umarmte sie, hielt sie fest und zog sie mit sich hoch, als er aufstand.
    »Ich mag es nicht, wenn du vor mir kniest, Simone. Ich möchte dich für immer an meiner Seite haben und darauf achten, dass dir nichts geschieht. Du bist so zierlich und schmal, und Gerald ist so groß und kräftig. Wenn ich daran denke, was er dir angetan hat, habe ich einen Hass in mir, der mir den Atem nimmt.«
    *
    Heides Armbanduhr zeigte Mitternacht, und Beate war bisher nicht zurückgekommen. Sie entschied, ihren Beobachtungsposten am Fenster zu verlassen. Ihre bloßen Füße auf dem altmodischen Linoleumboden waren inzwischen eiskalt geworden und ihre nackten Beine und Arme ebenso. Mit Unbehagen sann sie darüber nach, welcher Zeitvertreib für Dieter dermaßen wichtig sein konnte, dass er ihren Anruf nicht entgegennahm. Sie war hundemüde. Der Blick in Beates finsteren Garten wirkte einschläfernd, und die Vorstellung, Beate und der Apotheker lägen gemeinsam unter einer kuscheligen Decke und lachten über eine Frau von der Heide aus Osnabrück, die man nach Lust und Laune verkohlen konnte, verbesserte ihre Stimmung nicht.
    Sie griff sich Miss Marple , beschloss, Beate morgen zu fragen, wie sie die Nacht verbracht hatte, und legte sich mitsamt dem Handy ins Gästebett. Die Zweifel an der männlichen Treue musste sie endlich überwinden, darum wollte sie Dieter noch einmal anrufen. Sie würde sich Nettigkeiten ins Ohr flüstern lassen, seinen Zärtlichkeiten lauschen, wunderbar sanft einschlummern und friedlich träumen. Ab sofort, nahm sie sich vor, würde sie lediglich in wirklich absolut dringenden Fällen und nur, wenn es tatsächlich unvermeidbar war, in einem fremden Schlafzimmer übernachten. Vor allen Dingen wollte sie keine weitere Nacht auf einer harten, ungastlichen Matratze in einem scheußlichen Jugendzimmer verbringen.
    Sie ließ Miss Marple Dieters Nummer wählen und hatte dieses Mal Glück. Der Anruf wurde entgegengenommen. Doch bevor sie ein

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