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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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Wort ab.
    »Gute Nacht, Heide«, klang es resigniert und leise durch den Hörer.
    Obwohl sie sich dagegen wehrte, berührte Alexanders Kummer sie. Er tat ihr leid. Die Frage, ob sie mittlerweile mit ihm verheiratet wäre, hätte er Patricia nicht kennengelernt, wollte sie sich nicht stellen. Insgeheim vermutete sie, dass er die Töchter seiner neuen Frau wahrscheinlich genauso gerne gehabt hatte wie sie selbst. Jetzt waren sie seine Kinder und verkörperten damit alles, was er sich immer gewünscht hatte. Vermutlich hatten sie Alexander eine Weile vergessen lassen, dass er nie eigenen Nachwuchs haben würde.
    *
    Beate stellte ihr Fahrrad hinter der Apotheke ab und nahm Tommys Haustürschlüssel aus ihrer Rocktasche. Noch ehe Simone sich verabschiedet hatte, war Beates Sehnsucht nach ihm übermächtig geworden. Ohne eine Sekunde darüber nachzudenken, hatte sie sich, gleich nachdem ihre Schwester gefahren war, auf ihr Fahrrad gesetzt hatte und war losgeradelt. Vor lauter Vorfreude auf eine gemeinsame Nacht mit ihm hatte sie vergessen, ihre Strickjacke anzuziehen. Jetzt fror sie erbärmlich, und Gänsehaut überzog ihre nackten Arme und Beine. Sie ärgerte sich einen kurzen Moment über die eigene Nachlässigkeit, vergaß ihren Unmut jedoch gleich wieder, als sie bemerkte, dass in seiner Wohnung kein Licht mehr brannte. Tommy war ein Morgenmensch. Gewöhnlich war er bereits in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen, ging dafür aber zeitig schlafen. Dass er bereits im Bett lag, kam ihren Plänen entgegen. Sie würde ihn überraschen und die Initiative ergreifen. Nichts hasste sie mehr als den Augenblick der Ungewissheit, in dem sie mit klopfendem Herzen gezwungen war, darauf zu warten, dass er sie bat, die Nacht mit ihm zu verbringen.
    Als sie die Haustür aufgeschlossen hatte und die Treppe zu seiner Wohnung hinaufstieg, schlug ihr der antiseptische Geruch entgegen, den sie insgeheim Tommys Rasierwasser nannte. Er desinfizierte nicht nur in kurzen Zeitabständen sein Bad und die Gästetoilette. Auch die Fußböden und die Möbel wurden regelmäßig von ihm behandelt, um jedem noch so unbedeutenden Keim den Garaus zu machen. Beate betrat die Diele, streifte ihre Schuhe ab, tastete sich im Dunkeln durchs Wohnzimmer und schlich in sein Schlafzimmer. Hier zog sie sich aus, hängte ihre Kleidung so sorgfältig, wie er es stets forderte und es in der Dunkelheit überhaupt möglich war, auf einen Stuhl, ertastete mit beiden Händen das Bettgestell, die Decke und legte sich zu ihm. Tommy hatte einen leichten Schlaf. Sie wusste, dass er sie längst gehört hatte, aber er bewegte sich nicht, stellte sich lange schlafend, ganz gleich wie und wo ihre Hände seinen Körper berührten. Erst als sie die Hoffnung fast aufgegeben hatte, zeigte er ihr, dass sie ihm willkommen war.
    *
    Heide hatte schon mehrere Male ohne Erfolg versucht, Dieter zu erreichen. Sie sprach erneut auf seine Mailbox, bat wieder um einen Rückruf und entschied, sich vor dem nächsten Versuch eine Dusche zu gönnen. Doch wo befand sich das Bad? Beate hatte ihr zwar drei Gästezimmer gezeigt, aber bei der Besichtigungstour das Badezimmer vergessen. Heide holte ihren Kosmetikbeutel und ein Handtuch aus ihrer Reisetasche und betrat die beleuchtete, fast quadratische Diele, deren Wände wie die des Treppenaufgangs mit den unterschiedlichsten Fotografien übersät waren. Am Nachmittag hatte Beate erzählt, ihr Vater wäre ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf gewesen.
    Die beiden anderen Gästezimmer befanden sich direkt an der Treppe, das wusste Heide sicher. Die mittlere der gegenüberliegenden Türen führte in den Raum, den sie bewohnte. Also würde sie das Ersehnte vermutlich links oder rechts neben ihrem Zimmer finden. Heide entschied sich für die linke Tür, öffnete sie, betätigte den Lichtschalter und unterdrückte einen Fluch, als sie begriff, wo sie sich befand. Sie war augenscheinlich in das Allerheiligste des verstorbenen Herrn Buttenstett eingedrungen und stand in einer Schleuse, die verhindern sollte, dass beim Betreten der Dunkelkammer von außen Licht einfiel.
    Heides Bruder Christian, der nur wenige Jahre älter war als sie, hatte sich während seiner kreativen Phase eine kurze Zeit mit der Kunst des Fotografierens und dem Entwickeln seines Bildmaterials beschäftigt. Damals hatte sein pubertäres, wichtigtuerisches Gehabe ordentlich an ihren Nerven gezerrt. Sie hatte sie gehasst, diese ewige Meckerei: ›Tür zu, ich arbeite, du kleine Kröte, ich

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