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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Wochen hatte er sie fast täglich beobachtet. Wenn sie draußen in der Sonne lagen, weit weg vom Dorf und neugierigen Augen, zogen sie alle Kleider aus, reckten und streckten sich den Sonnenstrahlen entgegen, damit diese auch jedes Fleckchen Haut erreichten.
    Er legte sich auf den Bauch und wartete. So früh am Morgen war alles noch still, reglos und grau überzogen. Mehr als eine Stunde verging, das Land war längst von Tageslicht überflutet, als er endlich die erste Bewegung registrierte. Er erkannte Paul Lässler und einen von Pauls Söhnen. Beide gingen zum Stall.
    Paul und sein Sohn waren längst wieder zurück ins Haus gegangen. Sie saßen mit Antonia am Frühstückstisch, sprachen über Marlene Jensen und ermahnten diebeiden Mädchen, die mit ihnen am Tisch saßen, zur Vorsicht.
    Ben wartete geduldig auf ein bestimmtes Ereignis. Um Viertel nach sieben, auch wenn er keine Vorstellung von der Uhrzeit hatte, den ungefähren Zeitpunkt kannte er, würden die Mädchen aus dem Haus kommen und nebeneinanderher zur Wegkreuzung radeln. Vorbei an Heinz Lukkas Bungalow und dem Mais, wo er sie aus den Augen verlor, wenn er auf dem Zwischenboden der Scheune blieb. Aber dort blieb er nie.
    Bevor die Mädchen das Haus verließen, schlich er immer ins Freie, hastete zum breiten Weg, bog nach links ab und rannte weiter, bis er den Mais erreichte. Dort ließ er sich auf die Knie nieder und kroch so weit zwischen die Pflanzen, dass von ihm nichts mehr zu sehen war. Sein Anhaltspunkt für die richtige Zeit war Jakob, der normalerweise Punkt sieben zur Arbeit fuhr.
    An diesem Morgen jedoch saß Jakob um sieben noch am Frühstückstisch und versuchte, mit Trude über die Nacht zu reden. Er war verärgert über die eigene Nachgiebigkeit und wollte ihr klarmachen, dass es so nicht ging. Er wollte Ben nichts Böses, weiß Gott nicht. Aber sie taten sich und ihm einen Gefallen, wenn sie ihn ein paar Nächte festhielten. Nur bis Erichs Tochter gefunden und die Sache geklärt war. Damit es kein Gerede gab im Dorf, wenn ihn nachts einer draußen sah. Trude wusste doch, wie wenig es brauchte, um einen Mann in Verdacht zu bringen.
    Wie war das denn gewesen, als Wilhelm Ahlsen in Ruhpolds Schenke plötzlich zusammenbrach und tot war, ehe der Notarzt eintraf? Da hatte es geheißen, Toni von Burg habe mit Zyankali den Tod seiner kleinen Schwester gerächt. Nur weil Toni zwei Minuten lang neben Wilhelm am Tresen gestanden hatte.
    Und wie war das gewesen, als Tonis und Illas Tochter auf dem Schulweg überfahren wurde? Da hatten sich sämtliche Augen auf Richard Kreßmann gerichtet. Richard sei wieder mal besoffen gewesen und habe das Kind nicht gesehen. Und mit seinem Geld bildete er sich auch noch ein, er dürfe Kinder überfahren und auf der Straße verbluten lassen, hatte es geheißen.
    Und von Bruno Kleu hieß es doch seit fünfzehn Jahren, er sei ein Mörder. Er habe sich damals mit der jungen Artistin verabreden wollen. Als sie ihn abblitzen ließ, habe er ihr bei der Gemeindewiese aufgelauert, sie vergewaltigt und umgebracht, und sein Alibi habe er sich bei einer Schlampe in Lohberg gekauft.
    Man musste es doch nicht so weit kommen lassen, dass einer mit dem Finger auf Ben zeigte. Nur für ein paar Nächte. Wenn es freiwillig und mit gutem Zureden nicht ging, dann vielleicht mit einem Mittel aus der Apotheke. Bevor Trude ihm darauf antworten konnte, warf Jakob einen Blick auf die Uhr. Es war Viertel nach sieben, und er sagte rasch: «Es wird höchste Zeit für mich. Wir reden heute Abend nochmal in Ruhe.»
    Vom Zwischenboden der Scheune aus sah Ben, dass auf dem Lässler-Hof die Haustür geöffnet wurde. Die beiden Mädchen traten ins Freie, eine war hellblond wie Marlene Jensen und die junge Artistin, die ihn vor fünfzehn Jahren auf beide Wangen geküsst hatte, die andere war dunkelhaarig und trug eine Sonnenbrille. Sie holten ihre Fahrräder aus der Garage, stiegen auf und winkten Antonia zu, die bei der Haustür stand und ihnen nachschaute.
    Enttäuscht nahm Ben das Glas herunter und kroch eilig in eine Ecke. Dort waren die losen Halme notdürftig zu einem Häufchen zusammengeschabt. Es war kein gutes Versteck, aber das einzige in der Nähe des Hauses.Er schob die Halme zur Seite. Darunter lag das Springmesser, das Marlene Jensen in seiner Hand gesehen hatte. Das Messer war alt und hatte Rostflecken auf der Klinge. Es befand sich seit fünfzehn Jahren in seinem Besitz, ungefähr seit dem Zeitpunkt, zu dem Althea Belashi verschwunden

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