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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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vertreiben, zermanschte er mit ehrfürchtiger Miene die Sahnetorte auf seinem Teller, schaufelte sich den Brei in den Mund, hob nur einmal den Kopf und grinste, als Trude ihm übers Haar strich.
    Für Kaffee, Kakao und Torte brauchte man eine gute Stunde. Dann durfte Ben, weil er so sanft und gehorsam war und die Babys bis dahin nur mit sehnsüchtigen Augen angeschaut, auch einmal Fein und Finger weg gemurmelt hatte, eine halbe Stunde mit seiner kleinen Schwester und Britta Lässler spielen.
    Antonia und Jakob überwachten seine ungeschickten Zärtlichkeiten. Antonia legte ihre jüngste Tochter sogar in seine Arme, zeigte ihm, wie Babywangen behutsam gestreichelt wurden, strich ihm einmal über die seinen und riss ihn sich in einem Moment der mitleidvollen Aufwallung kurz in die Arme.
    Anschließend führte Trude ihn zu dem Tisch, auf dem die Geschenke aufgebaut waren. Es war eine beachtliche Zahl von hübsch eingewickelten Päckchen, mit denen er nichts Rechtes anzufangen wusste. Er betrachtete sie nur, solange Trude ihn fest an der Hand hielt. Dann wollte er zurück zu Antonia und die kleine Britta haben.
    «Nein», erklärte Trude bestimmt. «Du hast genug gespielt.Wir packen jetzt die Geschenke aus. Danach wirst du dich schön bedanken, wie ich es dir gezeigt habe.» Sie nahm das erste Päckchen, öffnete das Kuvert der beigelegten Glückwunschkarte, las sichtlich gerührt und mit einem feuchten Blick zu ihren Nachbarn hinüber vor: «Zu deinem Ehrentag, lieber Ben, die besten Wünsche von Otto und Hilde Petzhold.»
    Hilde lächelte verschämt in die Runde, Otto zündete sich aus Verlegenheit eine Zigarre an. Derweil hatte Trude ausgepackt und ein Bilderbuch aus starkem Pappkarton in Bens Hände gedrückt. Und da gab es das erste Debakel.
    Sie hatten sich alle gründlich überlegt, was man ihm schenken könnte. Es sollte nicht nur den guten Willen demonstrieren, eventuell noch die Finanzlage, es sollte ihm vor allem eine Freude machen. Hilde Petzhold hatte sich ausgerechnet für dieses Bilderbuch entschieden, weil der Karton ihrer Meinung nach stabil genug war, Bens Fäusten standzuhalten, und weil die Seiten zeigten, was sie selbst am meisten liebte: Katzen. Schwarze und weiße, kleine, große und graugetigerte.
    Eine graugetigerte saß auf dem Deckblatt und beleckte ihre Vorderpfote. Kaum hatte Ben einen Blick darauf geworfen, geriet er außer sich. Er rannte zur Kaffeetafel, knallte das Buch auf den mit Sahneresten verschmierten Teller, den Hilde Petzhold vor sich hatte. Dann schlug er mit der Faust auf das Deckblatt, dass der Teller mit einem vernehmlichen Knirschen zu Bruch ging. Dabei brüllte er: «Finger weg! Rabenaas!» Gleichzeitig kratzte er sich mit der rechten Hand über den linken Arm.
    Trude überlief es siedend heiß. Es war doch schon so lange her. Aber Jakob sagte häufig: «Er hat ein Gedächtnis wie ein Elefant.» Ihre Stimme zitterte ein wenig, alssie befahl: «Jetzt komm wieder her, Ben. Es ist ja gut. Das Buch gehört dir, Hilde will es dir nicht wegnehmen.»
    «Finger weg», schrie er erneut, knurrte wie ein Hund, nahm das Buch wieder an sich und biss kräftig hinein. Dann legte er es zurück auf die Scherben des Tellers und schnappte sich Hilde Petzholds Kuchengabel. Messer waren glücklicherweise nicht auf dem Tisch. Er stach zu mit einer Wucht, dass sich die feinen Gabelzinken verbogen und der stabile Pappkarton in Höhe des Katzenbauches mehrere Dellen aufwies. Anschließend kratzte er mit den verbogenen Gabelzinken über den Katzenbauch.
    Alle schauten ihm irritiert und interessiert zu. Nur Illa von Burg, die durch Gerta Franken über das Schicksal einer trächtigen Hauskatze informiert war, senkte den Kopf. Und Jakob musterte Trude mit einem argwöhnischen Blick, als sie mit hochrotem Gesicht nach dem nächsten Päckchen griff, in aller Eile das Papier abriss, ohne vorher zu lesen, von wem das Geschenk stammte. Trude hielt einen bunten Gummiball in die Höhe und rief mit belegter Stimme: «Schau, Ben, der ist auch für dich.»
    Tatsächlich ließ Ben von dem Katzenbuch ab. Jedoch nur, weil sich Dieter Kleu auf Trude und den Ball stürzte. Als Dieter den Ball nicht erreichte, weil Trude ihn mit beiden Händen über ihrem Kopf hielt und seine Anstrengungen auch nicht beachtete, hieb Dieter ihr mit beiden Fäusten in den Magen und trat sie vors rechte Schienbein. Trude rief mehr vor Verwunderung als vor Schmerz: «Au!» Ben kam um den Tisch herum, schnappte mit seinen großen Händen

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