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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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stellte die sinnlose Putzerei ein und trat einen Schritt zurück, damit Albert nicht aufmerksam wurde. War Richards Sohn gestern Abend in Ruhpolds Schenke gewesen? Hatte er gesehen, dass Jakob die junge Amerikanerin in sein Auto steigen ließ? Höchstwahrscheinlich. Jeden Freitagabend versammelten sich die Schützenbrüderin der Schenke. Und Albert war wie sein Vater Mitglied im Schützenverein.
    Während sie einen halben Meter vor dem Fenster stand, angestrengt zwischen einem Rübenacker und dem langsam fahrenden Mercedes hin und her schaute, polterte ein Gedankengewitter durch Trudes Hirn.
    Zuerst die Hoffnungsblitze. Als Edith Stern sich auf dem Weg zu Heinz Lukka befand, hatte Ben am Küchentisch gesessen. Und später hatte er friedlich auf seinem Bett gelegen. Mit eigenen Augen hatte Trude ihn liegen sehen, sanftmütig und unschuldig mit der Stoffpuppe im Arm.
    Auf den Blitz folgte der erste Donnerschlag. Irgendwann in der Nacht war er aus dem Haus geschlichen. Irgendwann war Edith Stern wohl auf dem Rückweg gewesen. Und der zweite Blitz: Für den Rückweg hatte sie sich bestimmt von Heinz ein Taxi rufen oder sich von ihm fahren lassen. Jakobs Donnerstimme hielt dagegen: «Sie wollte sich partout nicht fahren lassen. Zweimal hab ich’s ihr angeboten, ich hab sie sogar gewarnt. Da hat sie nur gelacht.»
    Ein Schritt vom Fenster zurück mochte für Albert Kreßmann reichen, für Ben nicht. Die Sonne übergoss die gesamte nach Südosten liegende Hauswand, schräg von der Seite fielen die Strahlen durch das offene Fenster ins Zimmer. Der bunte Fleck zwischen den Zuckerrüben hob beide Arme über den Kopf, winkte aus Leibeskräften, hüpfte und tanzte auf der Stelle und brüllte etwas über die Felder.
    Bei Trude kam es nur wie ein schwacher Hauch an. Albert im fahrenden Auto konnte auch nicht mehr gehört haben. Aber gesehen! Und Trude sah, dass der Mercedes anhielt, dass Albert ausstieg, einen Arm hob und zurückwinkte, als hätten Bens Freudensprünge ihm gegolten.Jetzt half nur noch die Flucht nach vorne. Einen Schritt zum Fenster, sich weit hinausbeugen. Den linken Arm aus dem Fenster, winken und ebenfalls aus Leibeskräften über die Felder brüllen, obwohl kaum damit zu rechnen war, dass Albert Kreßmann ein Wort davon hörte, geschweige denn verstand: «Nun aber schnell, Ben! Für eine halbe Stunde, hatte ich gesagt, nur für eine halbe Stunde.»
    Er kam rasch näher, wurde größer und deutlicher. Dieses bunte Ding um seine Schultern, was war das nur? Es sah aus, als hätte er sich etwas um den Hals gebunden, einen langen Schal oder   … Ein Rucksack und eine Jacke, hatte Jakob gesagt, so ein buntes Ding, sehr auffällig.
     
    Trude heizte den Herd noch einmal an für den Fall eines Falles. Es war tatsächlich eine Jacke aus festem, wasserundurchlässigem Stoff, was sie mit einem Blick erkannte, als Ben in die Küche kam. Er hatte sie sich mit den Ärmeln um den Hals gelegt, der Rest hing ihm lose über die Schultern den Rücken hinunter.
    Doch nachdem die erste Panik sich gelegt hatte und sie in Ruhe nachdenken konnte, entschied Trude sich anders. Albert musste das bunte Ding um seine Schultern ebenfalls bemerkt haben. Trude ging lieber kein Risiko ein. Sie trat erneut die Flucht nach vorne an, griff zum Telefon und erkundige sich bei Wolfgang Ruhpold, ob die junge Amerikanerin in der Nacht noch einmal in die Schenke zurückgekommen sei. War sie nicht!
    Als unvermittelt der Schmerz in den linken Arm schoss, wechselte Trude den Telefonhörer in die rechte Hand, kämpfte verbissen gegen die Atemnot und erklärte gleichzeitig, Ben sei gerade für ein Viertelstündchen draußen gewesen und hätte eine Jacke gefunden. Es müsse nicht unbedingt die Jacke der Amerikanerin sein. Aber falls die Frau sich meldete und ihre Jacke vermisste,Trude würde das Ding aufbewahren. Jakob könnte es auch in der Schenke oder aufs Fundamt nach Lohberg bringen. Vielleicht hätte ja ein Mädchen aus der Stadt die Jacke verloren.
    An der Stelle schaffte Trude ein kleines Lachen. «Wenn die hier draußen spazieren gehen, haben sie andere Dinge im Kopf, als ihre Sachen beisammenzuhalten.» Wolfgang Ruhpold lachte ebenfalls und versprach, sich umzuhören und einen Zettel in ein Fenster zu kleben.
    Nachdem das erledigt war, streckte Trude verlangend die Hand aus. «Gib mir das.»
    Ben schüttelte den Kopf, umklammerte die lose vor seiner Brust baumelnden Jackenärmel, drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand und setzte eine

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