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Der Purpurkaiser

Titel: Der Purpurkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
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überhaupt nicht, als wäre er gar nicht da. Oder als ob… als ob er für sie gar nicht existierte.
    Vorsichtig zog Henry sich aus der Küche zurück. Ein ungewohntes Gefühl prickelte in seinem Bauch, und einen Moment später wurde ihm klar, was das für ein Gefühl war: Freude. Er hatte es getan! Er hatte gezaubert. Sie hatten ihn vergessen und damit war er frei! Er konnte rüber ins Elfenreich. Er konnte Blue wieder sehen. Worauf wartete er noch?
    Er nahm immer zwei Stufen auf einmal. Mr Fogartys Portalbedienung lag in einem Schuhkarton ganz hinten im obersten Fach seines Kleiderschranks, zusammen mit dem Zierdolch, den Pyrgus ihm zu seiner Ernennung zum Iron Prominent, Ritter des Graudolch-Ordens, überreicht hatte.
    Er holte den Schuhkarton herunter und öffnete ihn. Die Portalbedienung war weg.
     
    Aisling hatte sie geklaut! Wer denn sonst! Sie war die Einzige, die sich ungeniert an seinem Eigentum vergreifen würde. Klar, seiner Mutter war durchaus zuzutrauen, dass sie in seinem Zimmer herumschnüffelte – auch wenn sie selbst sich jeden Eingriff in ihre Privatsphäre strikt verbat –, aber sie hätte sich nie für die Portalbedienung interessiert: Das Steuergerät sah dermaßen unscheinbar aus, dass sie es einfach für irgendwelches Computerzubehör gehalten hätte. Sie hätte ihm eher den Dolch weggenommen, und der war noch da. Es musste also Aisling gewesen sein, die dumme Pute!
    Henry stürmte die Treppe hinunter, aber die Küche war leer. Er machte kehrt, wollte rauf in Aislings Zimmer, da krachte er auch schon mitten in sie hinein, als sie gerade aus dem Klo unten kam.
    »Du hast mein Steuergerät geklaut!«, schrie er sie an.
    Aisling blinzelte. »Wer bist du?«, fragte sie verträumt.
     

Neunzehn
     
    H amearis Lucina, der Herzog von Burgund, war ein Hüne, der seinen mächtigen Wuchs gern noch mit wattierten Schutzpanzern betonte, im Winter auch mit Fellen. Anstelle eines Schwerts trug er eine Streitaxt mit silbernem Griff, die normale Männer kaum heben konnten, während er sie mühelos schwang.
    Die Fährleute warfen ihm verstohlene Blicke zu. Er war im ganzen Reich bekannt, nicht nur in seiner Heimat Yammeth Cretch; vor allem aber besaß er eine Präsenz, die er nicht nur seiner schieren Kraft verdankte, sondern auch seiner Ausstrahlung – beide Eigenschaften hatten dazu beigetragen, dass er Black Hairstreaks engster Verbündeter geworden war.
    Aber auch als gänzlich Unbekannter hätte er die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
    Er sprang von der Fähre, kaum dass sie an der Palastinsel angelegt hatte. Viel zu spät wollte ihm jemand von der Besatzung behilflich sein, ließ es dann aber bleiben. Die Leute fragten sich gewiss, warum er ohne Gefolge unterwegs war. Aus purer Berechnung natürlich. Riesengefolge waren etwas für Schwächlinge. Hamearis hatte nur einen Mann dabei, der unter seinem Kapuzenumhang nicht zu erkennen war. Seine Botschaft würde darum nur umso mehr einschlagen.
    Der Weg zum Purpurpalast war von Fackeln erhellt. Nirgendwo waren Wachen zu sehen, aber damit hatte der Herzog auch nicht gerechnet. Er war am anderen Ufer kontrolliert und von Kopf bis Fuß durchsucht worden (zweimal!), bevor man ihm den Zutritt zur Fähre gestattet hatte. Seine Axt, die nicht nur eine Waffe war, sondern auch eines der Insignien seiner Macht darstellte, hatte man ihm gelassen, allerdings erst, nachdem sie an seinem Gürtel befestigt und verplombt worden war, so dass er sie nicht einfach ziehen konnte. Andererseits zog er die größte Befriedigung daraus, dass bei beiden Leibesvisitationen der Mörderdolch, den er sich innen ans linke Bein gebunden hatte, nicht entdeckt worden war – ein raffinierter Ablenkungszauber hatte ihn der Aufmerksamkeit der prüfenden Hände entzogen. Derselbe Zauber hatte dafür gesorgt, dass sein Begleiter im Kapuzenmantel überhaupt nicht durchsucht worden war. Nicht dass Hamearis vorhatte, heute irgendjemanden zu ermorden, aber es war immer schön zu wissen, dass der Kaiserliche Sicherheitsdienst auszutricksen war.
    Der Weg beschrieb eine Kurve und entfernte sich von dem als Sichtschutz dienenden Streifen Zierbäume, so dass der Purpurpalast zu sehen war. Gigantische, halb in den Boden versenkte Glühkugeln strahlten das bedrohliche Gemäuer von unten an. Die uralten Purpursteinblöcke waren inzwischen so verwittert, dass sie fast schwarz aussahen. Nur bei bestimmtem Tageslicht schimmerten sie noch purpurn. Doch der Palast des Purpurkaisers sollte auch nicht durch

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