Der Purpurkaiser
Flitterwochen und vielleicht sogar noch ein, zwei Wochen später. Bis dahin hatte Brimstone das Haus locker leer geräumt und verkauft und sich irgendwo auf dem Lande eingerichtet, wo er nicht so viel Aufmerksamkeit vonseiten des neuen Purpurkaisers Pyrgus auf sich ziehen würde. Besser konnte eine Ehe nicht enden.
Als das Loch tief genug war, warf Brimstone erst kurz einen Blick hinein, dann auf Maura. »Mach’s mal gut, meine Liebe«, sagte er fröhlich. »War wirklich eine schöne Zeit mit dir.«
Er fing gerade an, das Grab zuzuschaufeln, da stoben in den Bäumen die Krähen auf.
Neunundvierzig
C halkhill fand ein Simbalacafé mit einer trendigen Terrasse und bestellte sich ein fingerhutgroßes Glas. Er nippte geziert an der flüssigen Musik und lauschte ihr, während sie sanft seine Kehle hinunterrann und sich zu einer feurigen Symphonie ausdehnte, die ihm die Anspannung aus dem Körper zog.
»Darf ich jetzt reden?«, fragte Cyril in seinem Kopf.
»Nein«, sagte Chalkhill. Er ließ sich mit musikalischen Visionen von Helden und großen Taten überfluten. Er sah sich in Roben von Kaiserlichem Purpur (die natürlich modischer geschnitten waren als das Zeug, das der letzte Kaiser so getragen hatte), sah sich Recht sprechen und Kriege gewinnen und sein Gold zählen, und vor allem sah er sich den Leuten sagen, was sie zu tun hatten. »Kaiser Jasper« – mit welchem Stolz seine Untertanen diesen Namen aussprachen.
»Darf ich jetzt reden?«, fragte Cyril erneut.
Die Symphonie erstarb, und obwohl noch ein Rest Musik im Glas war, stellte Chalkhill es zur Seite und ließ die Visionen verblassen. »Nun gut«, sagte er. » Ich bin bereit mich einmal darüber zu unterhalten. Aber ich will keine weiteren Vorträge hören, Cyril. Ich weiß, es ist sonst überhaupt nicht deine Art, aber fasse dich kurz.«
Ersticktes Schweigen. Dann: »Ja, meinetwegen.«
»Ihr bietet mir an, Purpurkaiser zu werden? Habe ich das richtig verstanden?«
»Ja.«
»Und wie?«, fragte Chalkhill geradeheraus. »Wie wollt ihr mich zum Purpurkaiser machen? Die kurze Version, bitte.«
Sie wurde doch recht lang, aber sie war bei weitem interessanter als Cyrils sonstiges Geschwätz. Die Wangarami, die seit der Errichtung ihres mentalen Netzes anscheinend irgendeine Art von Kollektivbewusstsein entwickelt hatten, waren im vergangenen Jahr mehr symbiotische Beziehungen eingegangen als in ihrer ganzen belegten Geschichte zusammen.
Nicht nur das, auch die Natur der Symbiose hatte einen verblüffenden Wandel durchgemacht. In früheren Zeiten hatten sich die Wangarami mehr oder weniger zufällig mit irgendwelchen Wirten verbunden. Inzwischen wurden die Wirte sorgfältig ausgewählt. Mit einer wachsenden Mischung aus Freude und Schrecken erfuhr Chalkhill, dass die Wangarami die höchsten Räte im ganzen Land infiltriert hatten.
»Ich habe mich freiwillig zur Verbindung mit dir gemeldet, weil du so gute politische Beziehungen hast«, sagte Cyril. »Du hast für Lord Hairstreak gearbeitet, du warst mit Prinz Pyrgus und Prinzessin Blue bekannt, du bist ein reicher Mann, der sich in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen bewegt. Niemand sonst könnte uns dorthin bringen.«
Chalkhill war sich da nicht so sicher, aber diesen Gedanken verbarg er sorgsam vor dem Wurm. »Wissen die anderen, mit denen ihr verbunden seid, von euren Revolutionsplänen?«
Es gab eine lange Pause, dann sagte Cyril: »Nicht alle…«
»Wie viele?«
Wieder eine lange Pause. »Nur ein paar. Wir müssen sie sorgfältig auswählen. Es ist eine Frage des Vertrauens.«
»Und warum habt ihr dann mich ausgewählt?«, fragte Chalkhill misstrauisch. Warum sollte jemand, der einigermaßen bei Verstand war, ausgerechnet ihn auswählen – bei seinem Ruf?
»Du bist einer von ganz wenigen, die wir gefunden haben, die keinerlei Skrupel haben«, sagte Cyril fröhlich.
Fünfzig
D er Endolg Flapwazzle kletterte eine glatte Kanalwand hoch, um in einen Ablauf zu schauen. »Weißt du was?«, sagte er. »Ich glaube, wir haben uns verlaufen.«
»Ich denke, du kennst die Karte auswendig«, sagte Henry vorwurfsvoll.
»Das tue ich, aber dieser Teil des Systems scheint gar nicht eingezeichnet gewesen zu sein. Ich glaube, wir haben uns verlaufen.«
Henry sagte: »Egal – wir wollten uns ja ohnehin zum Fluss durchschlagen. Wir tun einfach, was du gesagt hast, und folgen der Strömung, bis wir den Ausfluss erreichen.«
Flapwazzle glitt wieder auf Bodenhöhe zurück. »Ich mag
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