Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Purpurkaiser

Titel: Der Purpurkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
Vom Netzwerk:
ausgeglichen und damit legte sich sofort der Wind. Henry kam schwankend auf die Füße, schnappte nach Luft. Seine Arme und Beine waren zerschrammt, aber ansonsten war er in Ordnung. Die Flutung war vorbei. Er hatte überlebt.
     
    Obwohl es noch Stunden hin war bis zur nächsten Flutung, wollte Henry keine Minute länger in der Kanalisation bleiben als nötig. Die Flucht über den Fluss zu riskieren war ihm von Anfang an nicht geheuer gewesen. Während seiner letzten Schwimmstunde hatte er nur die halbe Beckenlänge geschafft, dann war er untergegangen. Jetzt, da er allein war, fand er es weit sicherer, auf dem Trockenen zu bleiben, solange es nur irgend ging.
    In der nächsten Stunde erkundete er vier Seitenrohre, von denen eines so eng war, dass er auf allen vieren hindurchmusste. Drei der Rohre endeten in Gittern, die so fest verankert waren, dass er sie keinen Millimeter bewegen konnte. Das vierte schien komischerweise im Nichts zu enden, bis ihm die Rohrleitungen auffielen, die oben an der Decke hereinführten. Sie waren so schmal, dass er gerade mal den Arm hätte hineinschieben können.
    Er fragte sich allmählich, ob er wohl doch den Fluss riskieren musste, als der Haupttunnel sich urplötzlich teilte und in dem Gang zu seiner Rechten ganz hinten Tageslicht zu sehen war.
    Einen Moment lang fragte er sich, ob es nur Wunschdenken war, aber das Licht in der Ferne sah ganz anders aus als das grünliche Pilzglühen überall. Es war das bläuliche Weiß eines hellen, wolkigen Tages. Er konnte ihn fast riechen. Er bog in den rechten Tunnel ein, beschleunigte seine Schritte, fing zu rennen an. Er verspürte eine Freude, wie er sie noch nie erlebt hatte. Das Licht an sich hieß noch nichts, überhaupt nichts, es war vielleicht unerreichbar, aber Licht war es trotzdem und er war immer noch am Leben – er hatte überlebt.
    Es war nicht zu fassen! Er hatte eine Wartungsklappe gefunden! Henry starrte nach oben, und obwohl er nie besonders religiös gewesen war, ertappte er sich dabei, im Geiste ein kleines Dankgebet zu sprechen. Etwas Besseres hatte ihm gar nicht passieren können. Was er da oben an der Decke sah, war ein großes Metallgitter, durch das (wie er jetzt zweifelsfrei sehen konnte) Tageslicht strömte. Das Gitter war mit Scharnieren befestigt, also beweglich. Aber das Beste war, dass es über einem Schacht hing, in dem eine Steintreppe hinaufführte. Er konnte es ganz leicht erreichen.
    Henry lief die Stufen hinauf und wäre in der Eile fast gestolpert. Oben befand sich ein kleiner Absatz, und als er ihn betrat, klopfte ihm das Herz. Er streckte sich, um das Gitter hochzuklappen, dann erstarrte er. Es war mit einem dieser seltsamen kleinen Kastenschlösser fixiert, die hier anstelle von Vorhängeschlössern benutzt wurden. Diese verfluchten Teile waren üblicherweise magisch aufgeladen, und er hatte keine Ahnung, wie man sie aufbekam. Ihm krampfte sich der Magen zusammen. Es durfte einfach nicht verschlossen sein, auf gar keinen Fall. Aber bei seinem Pech…
    Er stemmte sich trotzdem gegen das Gitter. Es kippte sofort hoch und zur Seite. Henry starrte es an. Das Schloss war entweder kaputt oder jemand hatte es offen gelassen. Das Tageslicht lockte. Die letzten drei Stufen nahm er mit einem Satz.
    Er war frei!
     

Dreiundfünfzig
     
    C halkhill leerte sein Glas und spürte, wie die Musik seinen Geist umwaberte und einen angenehmen Hintergrund zu Cyrils Worten bildete. Er hielt eine mentale Hand hoch, um dem Redefluss des Wangaramas Einhalt zu gebieten. (Er wurde langsam gut darin.) »Du meinst, ihr habt alle wichtigen Machtzentren des Reiches unterwandert?«
    »Die meisten. Ein paar Mitglieder von Hairstreaks Haushalt. Den Kaiserlichen Hof, wobei es dort gerade ein paar personelle Veränderungen gibt. Den Rat von – «
    »Dann seid ihr also mit mehreren wichtigen Persönlichkeiten verbunden?«
    »Aber ja. Absolut.«
    »Warum wollt ihr dann ausgerechnet mich als Purpurkaiser?«
    Er rechnete mit langem Zögern, mit ein paar gewandten Schmeicheleien und ausreichend Geschwätz, dass sich daraus der wahre Grund schließen ließ. Aber der Wangaramas antwortete sofort. »Weil du an genau der richtigen Stelle für diesen Job bist.«
    An genau der richtigen Stelle? »An genau der richtigen Stelle?«, fragte Chalkhill.
    »Unsere Philosophen sagen, dass das Gelingen unserer Revolution von einem sanften Übergang abhängt, einer reibungslosen Verschiebung der Macht von der gegenwärtigen Regierung zu unserem

Weitere Kostenlose Bücher