Der Purpurkaiser
auf ihn. Mit seinem wiedergefundenen Selbstvertrauen lächelte Henry und sagte: »Ich weiß nicht, wer ihr seid, aber ich möchte euch danken.«
»Ich heiße Peach Blossom«, sagte die Frau ganz vorn. Sie erwiderte Henrys Lächeln und machte keine Anstalten, ihm auch die anderen vorzustellen. »Wofür möchtest du uns danken?«
Sie stellten Essen auf einen kleinen Tisch. Manches sah seltsam aus, aber es roch alles sehr lecker. »Keine Ahnung – für das Bad.« Und das Essen, dachte er, bloß dass sie ihm noch gar nichts davon angeboten hatten. Ihm fielen seine Manieren wieder ein und er fügte etwas verspätet hinzu: »Ich heiße Henry.«
»Wir wissen, wer du bist.«
Henry wusste nicht, was er sagen sollte. Schließlich sagte er: »Wer seid ihr?«
»Seidenherrinnen«, sagte Peach Blossom. »Schwestern der Seidengilde.«
Er aß gerade etwas, das sich Ordel nannte. Es schmeckte rauchig und war total lecker. Ohne nachzudenken fragte er: »Werdet ihr Ärger kriegen deswegen?«
»Warum sollten wir Ärger kriegen?«, fragte Peach Blossom prompt.
Au Mann. Sofort bereute er, überhaupt gefragt zu haben. Es gab keinen Grund, warum sie wissen sollten, dass er gerade aus dem Verlies des Palastes ausgebrochen war und so weiter. Hätte er den Mund gehalten, hätte er einfach so tun können, als wäre er ein ganz normaler Gast, der sich verlaufen hatte und irgendwohin geraten war, wo er nichts zu suchen hatte. Vielleicht konnte er es ja noch so hinbiegen. Nur hatte Peach Blossom vorhin gesagt: Wir wissen, wer du bist. Woher wusste sie das? Und wenn sie wusste, wer er war, wusste sie dann auch, dass er erst vor kurzem ins Verlies geworfen worden war?
Henry beschloss, sich irgendwie durchzumogeln. Mit etwas Glück brauchte er sich nicht zu offenbaren. »Die neue Königin ist nicht allzu zufrieden mit mir«, sagte er so lässig wie möglich. Wenn er es cool genug brachte, fand er vielleicht unauffällig heraus, was sie von der Königin hielten, bevor er sich ihnen anvertrauen musste.
»Die neue Königin ist so verrückt wie eine Scheißhausratte«, sagte Peach Blossom.
Siebenundfünfzig
I hm war klar, dass es so nicht ging. Er hatte sie hineingeworfen ohne sie zu pfählen. Brimstone sah zu den kreisenden Krähen hinauf, die einen Heidenlärm machten. Jetzt war es zu spät. Da kam jemand und er wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb. Nicht viel vermutlich, und er durfte es auf keinen Fall riskieren, neben einer offenen Grube angetroffen zu werden, in der die Leiche seiner Frau lag. Vor allem nicht, da ihr Schädel eingeschlagen war und ihr das dumme verhutzelte Hirn aus der Nase sickerte.
Er packte den Spaten und fing an, das Grab zuzuschütten.
Es war eine Plackerei, aber er konnte es sich nicht leisten, langsam zu machen. Die Krähen drehten jetzt regelrecht durch, die dummen Viecher, und er meinte sogar, jemanden durch das Unterholz brechen zu hören. Zum Glück ließ sich eine Grube weit schneller zuschütten als ausheben. Er schleuderte den letzten Spaten voll Erde hinein und sah sich hektisch um. Es sah alles nach dem aus, was es war – frisch umgegrabene Erde. Er hätte auch ein Schild anbringen können: Leiche hier vergraben.
Heruntergefallene Blätter!
Das war es – heruntergefallene Blätter! Asche zu Asche und Laub zu Laub. Wenn er die Leiche jetzt nur provisorisch verstecken konnte, dann kehrte er eben später zurück und brachte die Arbeit zu Ende. Sobald derjenige wieder weg war, der da angepoltert kam. Er begann Hände voll heruntergefallener Blätter über das frische Grab zu streuen. Aber er war nicht auch nur ansatzweise fertig, als ihn ein grellblaues Licht wie angewurzelt innehalten ließ und etwas Großes und Grässliches auf die Lichtung trat. Brimstone ließ die Blätter fallen. Er spürte, wie sein Herz aussetzte und ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
Keine fünf Meter entfernt stand drohend Beleth. Der Fürst der Finsternis.
Beleth sah entsetzlich aus.
Er war in seiner riesigen Dämonengestalt gekommen, aber eines seiner Hörner und zwei seiner Reißzähne waren abgebrochen und ihm fehlte ein Ohr. Unter seinem rechten Auge prangte ein Bluterguss, am Kopf eine pulsierende Beule und über die linke Wange, den Kiefer und die Kehle verlief eine furchterregende Narbe. Brimstone hatte den bösen Prinzen immer gefürchtet, aber im Moment schien der Dämon nicht einmal mehr in der Lage, einer Fliege etwas zuleide zu tun. Brimstones Herz fing wieder zu schlagen an und die Farbe
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