Der Purpurkaiser
manchmal etwas Herrisches hatte. Auf jeden Fall zählte sie zu den Frauen, die nur zu gern Verantwortung übernahmen. Er fragte sich, was sie mit dem Verschleiern meinte, beschloss aber, darauf zu vertrauen, dass sie wusste, was sie tat.
Blue war weniger vertrauensvoll. »Was meinst du damit, uns verschleiern ? «
»Dafür sorgen, dass man uns vom Palast aus nicht sehen kann«, sagte Nymph.
»Unsichtbarkeit?«
Nymph schüttelte den Kopf. »Auch unsichtbar ist man ja immer noch da.«
Die Antwort leuchtete Pyrgus zwar in keiner Weise ein, aber er wollte endlich weiter. »Ich glaube, wir steigen am besten mal ein, Blue«, sagte er freundlich. Sie funkelte ihn an, trat aber sofort auf das Floß.
Blue und das Floß verschwanden.
»Also doch Unsichtbarkeit«, sagte Pyrgus.
Nymph schüttelte erneut den Kopf. »Verschleierung«, beharrte sie. »Ihr könnt das Boot und Eure Schwester weder sehen noch ertasten, solange ich den Schleier nicht abschalte.« Sie sah seinen Gesichtsausdruck und fügte hinzu: »Nur zu – versucht es: Wir haben Zeit.«
Pyrgus streckte die Hände nach der Stelle aus, an der Blue vor ihrem Verschwinden gewesen war. Er spürte nichts. »Blue?«, flüsterte er.
»Sie kann Euch sehen und hören«, sagte Nymph. »Umgekehrt ist das nicht der Fall.«
Nymph, die Pyrgus’ Staunen sichtlich genoss, sagte: »Jetzt steigt ein, bitte.«
Pyrgus runzelte die Stirn. »Aber es – das Floß…«
Jetzt grinste Nymph richtig. »Macht einfach einen Schritt nach vorn, Kronprinz. Habe ich Euch nicht versprochen, dass Ihr heute nicht nass werdet?«
Ihm war klar, dass es sich um eine Herausforderung handelte, und er nahm sie an ohne eine Sekunde zu zögern. Er machte einen Schritt in Richtung dessen, was wie die Oberfläche des Flusses aussah.
Schon befand er sich bei Blue auf dem Floß. Die anderen in Reih und Glied am Ufer.
»Was sollte der ganze Quatsch?«, fragte Blue.
»Konntest du mich sehen?«
»Klar und deutlich«, höhnte sie.
»Konntest du sehen, was ich gemacht habe?«
»Na klar«, sagte Blue. »Du hast dich vor unserem Fräulein Allwissend hier zum Affen gemacht.«
Obwohl nirgendwo etwas von einem Antriebssystem zu sehen war und es auch nicht nach Magie roch, schoss das Floß bald übers Wasser.
»Was treibt uns an?«, fragte Pyrgus leise.
»Ihr braucht nicht zu flüstern«, sagte Nymph. »Wir sind außerhalb des Schleiers nicht zu hören.« Sie sah sich um, wie um die Tatsache zu unterstreichen, dass sie mitten auf dem Fluss ohnehin niemand hätte hören können. Sie blickte Pyrgus wieder an und lächelte leicht. »Wir nutzen den magischen Standardantrieb. Vorwärtsgang, Lenkung, einfache Levitation zur Reibungsverminderung.«
»Ich rieche aber nichts«, sagte Pyrgus.
»Was brächte eine Verschleierung, wenn sie uns immer noch riechen könnten«, sagte Nymph.
Pyrgus wollte gerade nachhaken, da merkte er, dass sie sich bereits ihrem Ziel näherten. Über den Klippen an der Rückseite der Insel dräute die ursprüngliche Feste, die in alter Vorzeit aus so großen Steinblöcken errichtet worden war, dass sie mit den technischen Mitteln der Gegenwart nicht hätten bewegt werden können. Die Feste wurde heute hauptsächlich als Lager benutzt, war aber mit dem eigentlichen, jüngeren Palast verbunden. Wachposten gab es hier kaum, da man seit langem davon ausging, dass die Feste vom Fluss aus absolut sicher war – Pyrgus nahm sich vor, diese Sicherheitslücke sofort schließen zu lassen, falls sie mit ihrer Mission erfolgreich waren.
In einem kleinen Flussarm legte das Floß leise in einer kleinen Bucht zwischen ein paar Felsen an. Hinter einem schmalen, steinigen Strandstreifen erhoben sich steile Klippen, über denen sich die Mauern der Feste erhoben. Pyrgus warf einen Blick nach oben und erstarrte. Auf den Wehranlagen standen Wachen. Selbst auf diese Entfernung war zu sehen, dass sie mit tödlichen Kris -Stäben bewaffnet waren.
Er merkte, dass Blue neben ihm stand und ebenfalls nach oben sah. »Hairstreak geht kein Risiko ein«, sagte sie.
»Da sind Wachen«, rief Pyrgus nach hinten.
Nymph stellte sich neben sie. »Solange wir auf dem Floß bleiben, kann uns nichts passieren«, sagte sie. »Aber um reinzukommen, müssen wir diesen Strand überqueren. Anschließend werden uns die Klippen Schutz bieten – die Wachen werden nicht viel sehen können, wenn sie senkrecht nach unten gucken –, aber wenn sie uns auf dem Strand erwischen, können sie uns abknallen wie die Hasen.« Sie
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