Der Purpurkaiser
schnurstracks zu Hairstreaks Herrenhaus marschiert.
»Wir hätten unterwegs nur kurz anhalten müssen«, sagte Nymph, ohne auf seine Argumente einzugehen. »Wir sind praktisch mitten durch Königin Kleopatras Lager hindurchspaziert.«
Pyrgus hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass man die Waldelfen nicht sehen konnte, wenn sie nicht gesehen werden wollten. »Hätten, hätten«, sagte er wenig prinzenhaft. Das Problem war, dass Nymph ihn ablenkte. Er musste sich auf die Arbeit konzentrieren, die vor ihm lag. Er wollte nicht einmal daran denken, aber er hatte schreckliche Angst davor, was geschehen würde, wenn Blue und er ihren Vater erst einmal gefunden hatten.
»Ich könnte umdrehen«, schlug Nymph sofort vor. »So weit ist es nicht. Ihr anderen könntet hier bleiben und beobachten, was passiert. Ich könnte genug Leute für einen Frontalangriff mitbringen, wenn Ihr möchtet. Ich weiß, dass die Königin einverstanden wäre – sie will, dass diese Pfuhle dichtgemacht werden.«
Im ersten Moment erschien Pyrgus das recht verlockend – außer der Aussicht auf einen Frontalangriff. Eigentlich hatte er eigene Pläne, und die unterschieden sich von denen der Waldelfen. Aber wenn Nymph zu den Waldelfen zurückkehrte, dann konnte er ihr Comma mitgeben. Pyrgus vermutete, dass er weitaus glücklicher wäre, wenn Comma aus dem Weg war, am besten hinter Schloss und Riegel. Und etwas Verstärkung konnten sie auf jeden Fall gebrauchen: Nicht für einen Frontalangriff, sondern schlicht und einfach, weil sie bald in echtes Feindesgebiet vordrangen.
Er wollte ihr gerade seine Überlegungen zu Comma mitteilen, da marschierten Hairstreaks Wachen plötzlich wohl geordnet in ihre Kaserne zurück. Einen Moment später waren sie komplett verschwunden. Der Weg zum Haus war frei. Pyrgus schaltete sofort um.
»Keine Zeit!«, flüsterte er. »Los geht’s!«
Dann stand er auf, ohne ihre Reaktion abzuwarten, und lief geduckt auf das Herrenhaus zu.
Auf einmal machte Chalkhill sich keine Sorgen mehr wegen des Golems. Er schluckte, versuchte den Mund zu halten, hörte sich dann aber doch herausplatzen: »Ihr wisst von der Revolution?«
Black Hairstreak zuckte die Schultern und grinste leicht. »Die Würmer revoltieren seit Jahren. Mit jeder Generation werden ihre dümmlichen Pläne verzweifelter.«
»Mit jeder Generation?«
»Kurzlebige Spezies«, sagte Hairstreak und lächelte jetzt. »Sobald sie alles arrangiert haben, kratzt die Hälfte von ihnen ab, und sie müssen wieder von vorn anfangen.« Sein Lächeln verschwand abrupt und er sah Chalkhill scharf an: »Sie haben diese Viecher doch nicht etwa ernst genommen, Jasper, oder?«
»Aber keinen Moment lang«, sagte Chalkhill.
Einundsiebzig
E s war schön, wieder in New York zu sein. Brimstone sah zur Church of the Transfiguration hinauf, voller Bewunderung darüber, mit welcher Präzision ihn der Zaubertrank hierher versetzt hatte. Ein paar Meter von ihm entfernt kreischte eine Frau, die sein plötzliches Erscheinen wohl mitbekommen hatte. Brimstone schulterte seine Tasche und lächelte ihr zu. Ein Hoch auf die New Yorker. Sie drängten sich vorbei, ignorierten die kreischende Frau, ignorierten ihn, ignorierten den kunstvollen grünen Turm dieser herrlichen Kirche, vermieden jeden Augenkontakt, waren Gefangene ihrer eigenen bedrängten Welten. Wenn die Frau ihnen erzählte, was sie gerade gesehen hatte, hielten sie die Gute glatt für verrückt. Und wenn sie sie nicht für verrückt hielten, wäre es ihnen genauso völlig egal.
Seit er das letzte Mal hier gewesen war, hatte man die Kirche aufwändig restauriert, aber die hineinströmenden Leute deuteten darauf hin, dass dort immer noch täglich Messe gehalten wurde. Einen Moment lang war er versucht, sich mit hineinzuschleichen – solche drolligen Versuche in Weißer Magie amüsierten ihn stets –, aber er beschloss sich erst um das Geschäftliche zu kümmern, bevor er sich den schönen Zerstreuungen New Yorks hingab. Außerdem war ihm immer noch nicht ganz klar, wie er seine Mission am besten durchführte.
Früher wäre er wahrscheinlich die Mott Street hochgegangen und dann nach rechts zur Bowery eingebogen. Aber die Bowery war auch nicht mehr das, was sie einmal gewesen war. Es gab immer noch haufenweise Penner dort, keine Frage; aber es würde schwierig sein, zwei zu finden, die wirklich brauchbar waren. Das Problem war, dass selbst die schlimmsten Säufer heutzutage billigen Wein in ihren
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