Der purpurne Planet
sagte er lächelnd. „Mir scheinen allerdings einige Daten in den Tabellen ungenügend durchdacht. Ich bitte dich, die angestrichenen Stellen noch einmal genau zu prüfen und durchzurechnen, bevor wir das Material allen Angehörigen der Station und der TERRA unterbreiten.“
Er stand auf, um Erika zur Tür zu geleiten.
Erika blitzte ihn an. „Glaubst du, ich bin nicht objektiv gewesen?“
„Deine Objektivität setze ich voraus“, sagte Uwe freundlich. „Es geht mir um Präzision. Je genauer die Angaben sind, um so sicherer können wir Schlußfolgerungen ziehen.“
Erika ging wortlos hinaus.
Sie glaubt mir nicht, dachte Uwe. Ob sie denkt, ich wolle die Sache verzögern?
Für Uwe stand unerschütterlich fest, daß der Betrieb des Kraftwerks gesichert sein mußte, sowohl aus prinzipiellen moralischen Erwägungen als auch deshalb, weil ihm – wie er jetzt bemerkte – die Station gerade durch die Dutzende von kleinen Entscheidungen, die er täglich zu fällen hatte, ans Herz gewachsen war.
Aber was soll das, dachte er gleich darauf, ich werde doch nicht etwa sentimental?
Den kleinen Problemen folgten größere.
Drei Tage später schnallte sich Uwe die Flugschwingen fest, um sich auf dem Dreispitz anzusehen, wie weit Erika mit dem Bau des Senders war. Plötzlich bemerkte er im Licht des Helmscheinwerfers, wie der Regen grün schimmerte. Grün bei weißem Licht, das bedeutete, daß er sehr viel biologische Substanz enthielt. Die Schwebpflanzen, durchfuhr es ihn. Er flog zur Station zurück.
Dort alarmierte er die Rudloffs und auch Sibyl Laurentz. Eine Viertelstunde später saßen sie alle im biologischen Labor, in dem Klaus und Uta die Proben des Regenwassers untersuchten.
Als Klaus Rudloff endlich sein Gesicht vom Mikroskop hob, sah er grau und mutlos aus.
„Alles tot“, sagte er, „vom Luftdruck zerquetscht.“
„Bei mir auch“, ergänzte Uta leise.
Eine Weile schwiegen alle.
„Aber“, sagte Uwe vorsichtig, „offenbar doch nach einer kräftigen Vermehrung.“
Klaus Rudloff winkte ab. „Wenn es nur die alten Pflanzen wären, also auf natürliche Weise verbrauchte, würde ich kein Wort darüber verlieren. Aber hier gibt es sozusagen alte und ganz junge Pflanzen, man sieht’s an den Veränderungen, die nun nach acht Tagen schon eingesetzt haben. Es gibt welche mit dem Phänotyp der ersten, von uns ausgestreuten Schwebpflanzen, und welche mit gewandelten Merkmalen. Die letzten sind in der Überzahl. Das bedeutet doch, daß die Mutationskette nicht zur Stabilisierung geführt hat, sondern zum Gegenteil.“
Uwe dachte nach. „Könnte es nicht sein, daß dies weniger geeignete Mutationen sind?“
„Richtig“, ergänzte Sibyl, „und die andern, die mit der besten Anpassung, sind oben geblieben.“
Uta schüttelte den Kopf.
„Man sieht ja die Ascheteilchen im Mikroskop. Offensichtlich haben die Schwebpflanzen die Asche mit ausgefällt.“
„Also – von vorn anfangen. Na, das muß man in Kauf nehmen.“ Klaus Rudloffs Stimme klang fest, aber seine Haltung strafte den energischen Ton Lügen. Er saß schlaff da, vornübergeneigt, ohne sich zu rühren.
„Sei nicht gleich so aufgeberisch“, beschwichtigte ihn seine Frau Uta. „Wenn ich mir’s recht überlege, muß ich doch Sibyl zustimmen. Es ist noch gar nicht raus…“
Klaus Rudloff war aufgesprungen. Erregt lief er hin und her und schwenkte die Arme. „Zuwenig Versuchsreihen. Und dann die neuen Bedingungen – elektrische Ladung der Aschewolken. Nach dem alten Plan wäre alles gelaufen. Aber nun – das Kraftwerk. Das Unglück. Alles schnell. Alles hektisch.“
„Im Moment bist du hektisch!“ sagte Uta scharf.
Uwe versuchte zu vermitteln. „Betrachten wir das doch als einen Versuch im großen. Bliebe also jetzt die Aufgabe, zu ermitteln, was wirklich geschehen ist.“
Klaus Rudloff sah ihn gereizt an, sagte aber nichts.
Und wieder war es Sibyl, die mit unauffälliger Sachlichkeit den Weg fand, wie das Gespräch zu einem nützlichen Ende geführt werden konnte. „Vielleicht liegt es gar nicht an den Schwebpflanzen“, sagte sie.
Alle sahen sie erstaunt und gespannt an. Klaus Rudloff blieb stehen, wo er gerade stand, und machte eine ungeduldige Kopfbewegung.
„Es ist doch so“, begann Sibyl ihren Gedanken zu entwickeln. „Die Aschewolken fangen einen, wenn auch geringen, Teil der Proximastrahlung ab. Folglich ist die Luft unter ihnen kühler als anderswo und daher auch dichter. Sie schwimmen also sozusagen auf einem
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