Der purpurne Planet
lachte. „Das ist ja ein ganzer Komplex von Fragen. Aber eine will ich doch herausgreifen – die Frage nach den Mutationen. Unter den hiesigen Strahlungsverhältnissen sind Mutationen tausendmal häufiger als auf der Erde. Hinzu kommt, daß dort jedes Lebewesen einer bestimmten Biozönose angehört, einem System von Pflanzen und Tieren, das sich selbst reguliert oder vom Menschen gesteuert wird. Da werden viele an sich lebensfähige Mutationen sozusagen hinausreguliert. Hier gibt es noch keine solchen entwickelten Lebenssysteme, also können alle Mutationen sich ausleben, die die Pflanze nicht direkt lebensunfähig machen. Damit erhöht sich auch der Prozentsatz an Mutationen, die sich durchsetzen; vor allem werden dadurch kompliziertere Mutationsketten möglich, die unter den Regulationsbedingungen einer Biozönose vorher abgebrochen würden. Und schließlich kommt noch hinzu, daß wir selbst gezielte Mutationen hervorzurufen vermögen. Zufrieden?“
„Besteht da nicht die Gefahr, daß auch in der menschlichen Erbmasse zu viele Mutationen auftreten?“ fragte Michael.
„Wo hast du denn das Wort Erbmasse her“, sagte Mara lachend, „das ist ja vorsintflutlich!“ Dann wurde sie wieder sachlich. „Diese Gefahr besteht kaum. Erstens sind alle zweigeschlechtlichen Lebewesen gegen Mutationen bedeutend stabiler als die geschlechtslosen – das hast du bestimmt in der Schule gelernt. Zweitens sind die übergeordneten Regulierungsmechanismen beim Menschen als dem kompliziertesten Produkt biologischer Entwicklung weitaus wirksamer, und drittens setzt sich ja der Mensch von sich aus nicht in dem Umfang der Strahlung aus, wie das für die niederen Lebewesen zutrifft. Wenn vielleicht unser hoher Wuchs der Ausgangspunkt für deine Frage war, so ist das jedenfalls nicht Ergebnis einer Änderung der Erbanlagen, sondern im Gegenteil ihrer Stabilität. Sie steuern das Wachstum genau wie auf der Erde, nur sind wir hier leichter und werden darum größer.“ Michael nickte.
„Hast du noch mehr Fragen“, meinte Tom mit freundlicher Ironie. „Wir frischen alle gern mal unsere Schulkenntnisse auf!“
Michael ging auf den Ton ein. „Wenn ich die hiesigen Vorgänge richtig verstanden habe, dann feiern wir also das bevorstehende Eingehen der Spritzflaschen als biologische Explosion?“
„Gut gekontert!“ rief Mara. „Aber im Ernst – diesen Ausdruck sollten wir abschaffen, er ist ein zu primitives Bild. Unter einer Explosion versteht man normalerweise ja auch einen Vorgang, der mit einer Zerstörung endet. Ich setze einen Preis aus für ein besseres Wort – eins, aus dem hervorgeht, daß es sich um einen komplizierten Prozeß handelt!“
„Was für ein Preis?“ fragte Michael mit anzüglichem Lächeln.
„Der Gewinner kann wählen zwischen einer ehrenvollen Erwähnung in meinen Memoiren und einem – einem Händedruck von meinem Mann. Und wenn er frech wird, denselben ins Gesicht.“
„Ich muß feststellen“, sagte Michael mit gespielter Entrüstung, „daß der hiesigen Bevölkerung noch viele irdische Unsitten anhaften!“
„Wenigstens etwas, was uns verbindet“, sagte Tom. „Aber weil wir gerade beim Fragen sind, ich hätte da auch noch was. Erich, es hieß doch mal, daß jetzt eine weitere Magnetpolwanderung bevorstünde – und eventuell damit verbunden irgendwelche Gefahren. Wie sieht es denn damit aus?“ Erich lächelte verlegen.
„Endgültiges läßt sich noch nicht sagen – die bisherigen Messungen durch den Satelliten sprechen jedenfalls dagegen. Aber die Hauptsache ist wohl, daß unser – also mein – Theoretisieren darüber etwas voreilig war. Sibyl Laurentz und ich haben die Sache durchgerechnet und festgestellt, daß die von der Intensitätsveränderung des Strahlungsgürtels induzierten Ströme dafür viel zu schwach sind. Wahrscheinlich haben sie nur einen innerplanetaren Prozeß ausgelöst, der sonst vielleicht etwas später eingesetzt hätte und der inzwischen zum Stillstand gekommen ist.“
„Was könnte das für ein Prozeß sein?“
„Vielleicht Auffaltungen im Mantel. Euch ist ja bekannt, über das Innere der Planeten wissen wir auch heute immer noch sehr wenig.“
„Na ja“, meinte Michael tröstend, „um so größer sind die Chancen auf eurem Gebiet, etwas Neues zu entdecken.“
„Und was prophezeist du uns für die nähere Zukunft?“ wollte Mara wissen.
„Auf jeden Fall magnetische Stürme größten Ausmaßes, gesteigerte vulkanische Aktivität, Asche in der Luft und
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