Der purpurne Planet
RELAIS-1-Leute am Leben seien, darunter sein Vater, der nun – seltsamer Gedanke – mit ihm gleichaltrig war, biologisch gesehen, da die verschiedenen langen Reisezeiten den Altersunterschied ausgelöscht hatten. Aber glaubte er an das Projekt seines Vaters? Glaubte er an die Zukunft dieses Planeten als einer zweiten Heimstatt der Menschheit? Freilich, der Auftrag ließ die Entscheidung offen, ob die TERRA zur Erde zurückkehrte oder nicht, aber war er nicht im stillen fest entschlossen, zurückzukehren? Und hieß das nicht, daß er eben nicht an das Projekt glaubte? Schließlich siegte aber doch sein praktischer Sinn: Das alles würde man nach der Landung, nach dem Treffen mit den RELAIS-1-Leuten entscheiden müssen. Im Augenblick war es das einzig Richtige, seine Kraft und die Kraft der anderen auf ein Ziel zu konzentrieren, auf die Landung. Also hatte er sich Erika gegenüber richtig verhalten.
Tag für Tag wurde die Proxima größer, sie hatte nun schon fast die Größe der heimatlichen Sonne erreicht, und auch der Planet RELAIS war eine Scheibe geworden, eine grünlich schimmernde Scheibe mit rötlichen Flecken, die Erich Braune spektralanalytisch als reflektierende Wolken aus Vulkanasche erkannte. Das Raumschiff TERRA näherte sich seiner ersten Parkbahn außerhalb des äußeren Strahlungsgürtels.
Alle Besatzungsmitglieder – einige ganz offen, andere, wenn sie allein waren – hatten sich schon diese Scheibe auf ihrem Bildschirm angesehen und dabei darüber nachgegrübelt, wie es wohl dort unten aussehen mochte und wie das Leben der RELAIS-1-Leute, denen sie jetzt schon so nahe waren, verlaufen sein könnte; und nach dem nun ziemlich sicher war, daß sich die Temperatur dort unten schwach und der Vulkanismus ganz erheblich erhöht hatte, waren durchaus nicht mehr alle so fest überzeugt, daß sie die Gesuchten noch lebend und wohlauf finden würden.
Um so mehr drängte es jeden, möglichst bald zu landen. Aber jeder wußte auch, daß dazu noch eine Menge vorbereitender Arbeiten zu leisten war.
Selbst wenn jemand das nicht hätte begreifen wollen, er wäre zu dieser Einsicht geführt worden durch die Unerbittlichkeit, mit der der Kommandant täglich das Übungsprogramm absolvierte – Training für einen einzigen vorbereitenden Arbeitsgang: für das Einfangen, Entladen und Umrüsten einer Sonde.
Dreimal täglich wurde trainiert: Michael steuerte – an einem Simulator – das Raumschiff auf die Bahn der Sonde, Uwe und Erich brachten die Strahlungsindikatoren aus und schweißten die Sonde auf. Und während sie entluden und Irina den Zustand aller überwachte, arbeitete sich Erika in die Steuerzentrale vor und demontierte, lötete, montierte. Das alles wurde an Modellen geübt, mit immer neuen, ausgeklügelteren Störungen und zusätzlichen Schwierigkeiten, aber leider noch nicht real genug, auch wenn sie dabei den Raumanzug trugen und sich über Helmfunk verständigten: denn die wichtigste, schwierigste Bedingung fehlte noch: die Schwerelosigkeit. Sie würde erst im letzten Trainingsabschnitt, auf der äußeren Parkbahn, dazukommen.
Die Hartnäckigkeit, mit der Uwe trainieren ließ, hatte ihren guten Grund. Schon jetzt war klar, daß ausnahmslos alle Sonden sich auf Parkbahnen befanden, die mitten durch den äußeren Strahlungsgürtel verliefen; denn diese Parkbahnen waren ja vor dem Anstieg der Proxima-Aktivität berechnet worden, und zwar so, daß sie am Außenrand des Gürtels liegen mußten. Nun aber hatte die intensivere Strahlung den Gürtel ausgedehnt, und die älteste Sonde stand zum Beispiel seit fünfzehn Jahren unter dem Einfluß der Strahlung. war also längst radioaktiv verseucht. Und man konnte die einzelner. Sonden ja nicht voneinander unterscheiden, bevor man sie geöffnet hatte. Auch mußte das ganze Manöver – Anpassung an die Parkbahn, Entladen und so weiter – mitten im Strahlungsgürtel stattfinden und darum auf eine möglichst kurze Zeit – maximal zwei Stunden – beschränkt werden, und dann mußte sofort eine Parkbahn zwischen dem äußeren und dem inneren Strahlungsgürtel bezogen werden. Und dabei hatte natürlich die Fernsteuerung der Sonde fehlerfrei zu funktionieren.
Als das Raumschiff die äußere Parkbahn erreichte, legte Uwe einen trainingsfreien Tag ein. Sie hatten die gleiche Umlaufrichtung gewählt, die programmgemäß auch die tiefer fliegenden Sonden haben mußten, weil dadurch das Annäherungsmanöver einfacher wurde. Außerdem erleichterte das die Aufgabe,
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