Der purpurne Planet
auf einem kleinen, von Scheinwerfern hell erleuchteten Plateau sicher gelandet und sie dann in eine gewaltige Grotte gerollt. Man war durch Schleusen in den Berg getreten – Eileen hatte Irina und Uwe, die noch immer besinnungslos waren, mit dem Wagen durch die Schleuse gefahren und sofort untergebracht –, und nun saß man sich schweigend an den beiden Seiten eines langen, freundlich gedeckten Tisches gegenüber. Das irdische Licht – es war, wie sie später erfuhren, den Ankömmlingen zu Ehren eingeschaltet worden, da sonst auch die Älteren schon eine Mischung aus Proxima- und imitiertem Sonnenlicht bevorzugten – das gewohnte irdische Licht erleichterte Michael die schwierige Aufgabe, die ihm so unerwartet zugefallen war, nämlich für die Besatzung der TERRA zu sprechen. Ihm war etwas beklommen zumute. Gemessen an denen, die da auf der anderen Seite des Tisches saßen, war er doch noch recht unerfahren. Und es verband ihn ja auch wenig mit dem, was sie taten und getan hatten. Aber irgendwie war es ja doch ein historischer Moment, nur hatte er, der Pilot Michael Kolk, nicht die mindeste Ahnung, wie man sich in historischen Momenten zu benehmen hatte. Er konnte doch nicht einfach sagen: Tag, wie geht’s denn – oder so etwas. Aber noch schwerer wäre es ihm gefallen, gegenüber diesem sympathischen Mann, der wie ein Bruder seines Kommandanten aussah und dessen Vater war, irgendwelche pathetischen Sprüche zu klopfen. Übrigens auch gegenüber dessen Frau, die Michael nicht nur an der Sitzordnung erkannte, sondern vor allem daran, daß sie wie eine ältere Ausgabe von Eileen aussah. Jedenfalls war Michael froh, als Jochen Laurentz sich erhob. „Nun seid ihr da“, sagte er in herzlichem Ton, „früher, als wir zu hoffen gewagt haben, aber um so freudiger begrüßt und aufgenommen. Verzeiht mir, wenn ich etwas feierlich bin, im Tonfall vielleicht oder durch das Aufstehen, ihr braucht mir darin nicht zu folgen – aber die Begegnung mit meinem Sohn hat mich natürlich sehr bewegt. Doch jetzt ist er noch bewußtlos, und ihr sitzt vor uns, und ihr seid uns ganz gewiß nicht weniger lieb. Ihr seid jung, und die Erde wird sich auch in den letzten vier Jahrzehnten bis zu eurem Abflug nicht so sehr verändert haben, daß die Jugend plötzlich allzu großen Geschmack an förmlicher Feierlichkeit gewonnen hätte. Deshalb will ich uns einfach vorstellen. Die älteren von uns werdet ihr ja sicher zumindest von Bildern kennen. Aber damals waren wir doch etwas jünger. Hier neben mir sitzt meine Frau Sibyl, ein Kind der grünen Insel Irland. Ihr rotes Haar paßt ausgezeichnet zu unserem Planeten, sie ist ja auch unsere Planetologin. Links neben ihr sitzen Uta und Klaus Rudloff, sie erfinden und konstruieren die verblüffendsten Pflanzen – einige davon werden euch schon begegnet sein. Ihr seht, daß sie blaß sind, das kommt daher, daß sie nur ganz selten die Nase ins Freie stecken. Kaum haben sie irgendein elektrisches Gras oder eine Bodenbakterie ausgeknobelt, schon ergreift sie eine neue Idee, und wir dürfen dann herumfahren und nachgucken, was aus ihren Erfindungen geworden ist.
Nicht mehr kennenlernen werdet ihr den Arzt Herbert Müller und seine Frau Renate, Funkerin und Mechanikerin. Beide gehörten zu den ersten, die diesen Planeten betraten, und sie sind die ersten, die auf ihm beerdigt wurden. Wir vergessen sie nicht, aber ihr Tod hat nichts Deprimierendes an sich, denn es lag kein Scheitern darin. Eileen kennt ihr schon, der dritte Rotschopf ist ihr Zwillingsbruder Tom, er ist unser Techniker und Funker, neben ihm seine Frau Mara, geborene Rudloff, Biologin wie ihre Eltern. So, nun kennt ihr unsere kleine Mannschaft, und nun seid ihr an der Reihe.“
Michael hatte eigentlich Lust, das Angebot anzunehmen und sitzen zu bleiben, aber dann erschien ihm das doch unpassend. Er stand also auf und sprach: „Entschuldigt, ich bin noch nie in einer solchen Situation gewesen, und ich weiß nicht, was man da sagt. Also hier sitzt Erika Braune, Funkerin und Automatentechnikerin – in den verschiedenen Sonden, die noch um euren Planeten schwirren, steckt viel Arbeit für sie. Erich Braune, ihr Mann, ist Planetologe, er bringt einen Sack voll neuer Erkenntnisse mit, die euch bestimmt viel nützen werden. Beide sind von der Forschungsgruppe ausgebildet, die von der Erde aus eure Arbeit verfolgt und unterstützt. Wir anderen sind einfache Kosmonauten, das heißt, bis auf die Frau des Kommandanten, Irina, eine bekannte
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