Der Rabbi schoss am Donnerstag
Kriminalität – man wagt ja abends nicht mal mehr einen Spaziergang zu machen. Deswegen wollen wir hierher umziehen. Unseren ganzen Lebensstil ändern, Mitglieder einer Gemeinschaft werden. Das ist es, wonach wir uns sehnen. Und deswegen hat sich Ben auch wohl entschlossen, die Rohrbough selbst zu übernehmen.»
«Ganz recht», sagte ihr Mann. «Heute beim Lunch hat uns Gore von der Magistratssitzung erzählt, zu der alle Leute gehen. Nun ja, wir würden ebenfalls gern hingehen. Und zu dem Freudenfeuer am 4. Juli und zum Kunstfestival, das Sie in der Stadthalle veranstalten.»
Maltzman nickte langsam. Eine Idee begann in seinen Gedanken Gestalt anzunehmen. Er richtete den Blick auf Ben Segal. «Sagen Sie, Mr. Segal, sind Sie immer noch Jude? Ich meine, sind Sie vielleicht konvertiert oder so?»
Segal zuckte die Achseln. «Ich praktiziere nicht, aber ich habe auch meinen Glauben nie verleugnet.»
Mimi ergänzte: «Sein Bruder hat seinen Namen in Sears verändert und wollte, dass Ben das ebenfalls tut, aber Ben dachte gar nicht daran.»
«Das ist gut», sagte Maltzman. «Aber in einer Kleinstadt wie Barnard’s Crossing wollen die Leute genau wissen, wo Sie stehen. Wenn Sie respektiert und akzeptiert werden wollen, müssen Sie der Gruppe angehören, mit der man Sie assoziiert. Und hier bedeutet das, dass Sie Mitglied der Synagoge werden müssen. Bereit sein müssen, aufzustehen und sich zählen zu lassen.»
«Aber ich bin nicht im Geringsten religiös!», protestierte Segal.
«Na und? Das sind die meisten Mitglieder nicht. Beim Gottesdienst am Freitagabend sind wir fast immer nur höchstens hundert. Ich gehe immer hin, weil ich Vorsitzender der Synagoge bin. Die Mitgliedschaft in der Gemeinde ist nicht so sehr eine Frage der Religion als eine Chance, zu zeigen, wohin man gefühlsmäßig gehört.»
«Aber bei mir ist das etwas anderes», entgegnete Segal. «Ich glaube wirklich nicht, dass ich das Recht habe, Mitglied einer Synagoge zu sein. Denn sehen Sie, ich habe nie eine Bar Mitzwa gehabt. Meine Familie war furchtbar arm, als ich noch klein war, und sie konnten es sich damals einfach nicht leisten.»
«Ach Ben, Liebling, das hast du mir ja nie gesagt!» Mimi war ganz Mitgefühl. «Aber ich glaube, eine Bar Mitzwa kann man jederzeit nachholen, nicht wahr, Mr. Maltzman? Ich glaube, ich habe neulich im Fernsehen einen Bericht über einen Siebzigjährigen in Kalifornien gesehen, der selbst gerade erst seine Bar Mitzwa gefeiert hat. Seine Familie hatte es sich auch nicht leisten können, als er ein Junge war.»
«Ja, daran erinnere ich mich!», erklärte Maltzman. «Und im Hadassah Journal gab es eine Story über eine ganze Gruppe von Männern, einen Club, oder aus derselben Synagoge, erwachsenen Männern, die nach Israel reisten und an der Klagemauer gemeinsam ihre Bar Mitzwa feierten. Hören Sie, Mr. Segal, wenn es Sie interessiert, werde ich mit dem Rabbi sprechen und alles organisieren.» Dann fiel er ihm ein – der Trick. «Ich will Ihnen was sagen: Ich trage die Angelegenheit dem Vorstand vor, und wenn die meiner Meinung sind, wird die Synagoge die Patenschaft übernehmen.»
«Ja, aber das ist doch eine ziemlich große Zeremonie, nicht wahr? Ich meine, es geht doch nicht nur um eine Party. Wenn ich mich recht erinnere, mussten die Jungen in meinem Alter eine Menge dafür lernen. Spezielle Gebete, die sie auswendig vortragen mussten, und …»
«Kleine Fische, Mr. Segal», wehrte Maltzman beruhigend ab. «Sie werden zum Lesen der Tora aufgerufen und sprechen einen Segen. Die Bar-Mitzwa-Jungen singen auf Hebräisch. Aber Sie brauchen ihn nicht zu singen. Das heißt, wenn Sie das wollen, könnte ich dafür sorgen, dass Sie es beim Kantor lernen. Und wenn Sie kein Hebräisch lesen können, werden wir es ins Englische transkribieren. Ja, Sie könnten den Text sogar auf Englisch sprechen. Wenn dann der Text gelesen ist, sprechen Sie noch einmal einen Segen, und das machen wir dann genauso, und das ist schon alles. Gewiss, normalerweise singt der Bar-Mitzwa-Junge den Text aus den Propheten auch. Mein Gott, einige von ihnen übernehmen das gesamte Vorbeten. Ein bisschen Angabe, würde ich sagen. Aber das ist gar nicht notwendig. Glauben Sie mir, das Ganze ist ein Kinderspiel.»
«Ist Ihre Synagoge die einzige hier in der Stadt, Mr. Maltzman?», erkundigte sich Mimi.
«Das ist sie, Mrs. Segal, und alle Juden in der Stadt gehören zu uns, alle, die hier schon einige Zeit leben. Gewiss, manche Familien sind
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