Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
unserem Eintreffen geweckt wurde, und er roch nach Alkohol. Obwohl er dem ersten Anschein nach nicht im Besitz einer Waffe
war, wusste ich, dass er unter Umständen eine versteckt hielt, entweder in der Polsterung des Sessels oder unter seiner Kleidung. Außerdem bemerkte ich verschiedene schwere Gegenstände in Reichweite des Angeklagten, die als Waffe hätten dienen können, darunter ein eiserner Schürhaken, der sich im offenen Kamin befand. Das Zimmer hatte keinen anderen Ausgang außer der Tür, in der ich stand.
Als mich der Angeklagte das Zimmer betreten sah, sagte er wörtlich: »Ich habe keine Ahnung, was, zum Teufel, hier passiert ist.«
Auf dem Boden des Zimmers lag eine Frau, die ich als Mrs. Carol Proctor erkannte. Sie war von einer beträchtlichen Menge Blut umgeben, und ich bemerkte ein Messer, das in der Nähe auf dem Boden lag. Es handelte sich um ein großes Küchenmesser mit gezackter Klinge. Ich hatte von Anfang an keinen Zweifel daran, dass Mrs. Proctor tot war.
Ich rief Police Constable Netherton, der daraufhin das Zimmer betrat, und wies ihn an, den Angeklagten zu bewachen, während ich mich Mrs. Proctor näherte und sie auf ein Lebenszeichen hin untersuchte. Ich stellte keines fest. Dann bediente ich mich meines Funkgeräts, um Unterstützung anzufordern, woraufhin der Angeklagte aus dem Sessel aufstand, als wolle er das Zimmer verlassen. Ich erklärte ihm, dass er verhaftet sei, und warnte ihn, woraufhin er jedoch nicht reagierte. Police Constable Netherton half mir dabei, dem Angeklagten Handschellen anzulegen, der keinen Widerstand leistete.
Police Constable Netherton brachte den Angeklagten daraufhin zu unserem Fahrzeug, während ich den Tatort absicherte und auf das Eintreffen der Spezialeinheit wartete.
Gezeichnet: Police Sergeant 285 Cooper
Ben Cooper schloss die Akte und fröstelte. Es war, als trügen die Worte auf dem Papier noch immer den Atem des Mannes in sich, der sie gesagt hatte.
Die Akte hatte fast zwei Tage lang auf seinem Schreibtisch gelegen, seit Detective Inspector Hitchens sie ihm gegeben hatte. Doch sein Widerwille, sie zu lesen, war gerechtfertigt gewesen. Schon auf den ersten Blick war klar, dass Sergeant Joe Cooper eine Zeit lang allein am Tatort von Carol Proctors Ermordung gewesen sein musste. Es hatte sicher eine entscheidende Lücke gegeben, wenn auch nur für ein paar Minuten, zwischen dem Abführen des Verhafteten zum Polizeifahrzeug und dem Eintreffen der Kriminalpolizei, der Spurensicherung, einem Gerichtsmediziner und allem, was noch dazugehörte.
Cooper wusste aus eigener Erfahrung, dass oft erst einmal Chaos herrschte, wenn die ganze Meute über einen Mordschauplatz herfiel. Viel hing von dem Polizisten ab, der die Verantwortung dafür übernommen hatte, den Tatort zu sichern. Gegen eventuelle Verunreinigungen, zu denen es vor diesem Zeitpunkt gekommen war, konnte man nichts tun. Doch sobald der Tatort gesichert war, hatten Vorsichtsmaßnahmen für alle höchste Priorität.
1990 hatten DNA-Spuren für die Polizisten am Tatort noch nicht höchste Priorität gehabt, doch die Täter hatten ihnen noch weniger Beachtung geschenkt. Damals hatte man sich in erster Linie um Fingerabdrücke gesorgt. Verbrecher hatten sich keine Gedanken darüber gemacht, dass sie auch andere Spuren hinterließen. Daher die hohe Aufklärungsrate bei bislang ungelösten Fällen – Verbrechen, die vor Jahren ad acta gelegt worden waren. Viele Kriminelle mussten mit Entsetzen feststellen, dass sie mit einer Tat in Verbindung gebracht werden konnten, die sie vor fünfzehn Jahren begangen hatten.
Cooper sah sich erneut die Fotos vom Wohnzimmer der Quinns an. Wenn Quinn auf seiner Unschuld beharrt und jemanden dazu überredet hätte, sich seines Falls anzunehmen und vielleicht in Berufung zu gehen, wären unter Umständen Indizien aufgetaucht, die seine Verurteilung in Frage gestellt
hätten. Möglicherweise wären Spuren auf dem Messer, an der Kleidung des Opfers oder an der Cola-Flasche gefunden worden.
Genau genommen hätte man diese Spuren sogar noch jetzt finden können, vorausgesetzt, die Beweisstücke waren unter den richtigen Bedingungen aufbewahrt worden. Doch niemand hatte einen Grund gehabt, Quinns Verurteilung anzuzweifeln.
Cooper hielt inne und nahm die Flasche etwas genauer unter die Lupe. Wer hatte daraus getrunken? War es Mansell Quinn gewesen, der angeblich erst wenige Minuten zuvor nach Hause gekommen und mit dem Mordopfer heftig in Streit geraten
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