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Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Titel: Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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ihre Großeltern waren während des Krieges in Polen umgekommen.
    Sie kam sich isoliert und entwurzelt vor, als ob ihre kleine Familie bei irgendeinem entscheidenden, aber geheimen Test versagt hätte. Sie begann sich einzubilden, sie sei adoptiert worden und habe irgendwo eine andere Familie, weder polnisch noch jüdisch und sehr viel glamouröser als die, welche das Schicksal ihr zugewiesen hatte. Sie suchte Zuflucht in der Bibliothek, wo sie Biographien von Filmstars und lange Liebesromane mit unweigerlich tragischem Ausgang verschlang. So verging der Sommer, und bis zum Beginn des Schuljahres im Herbst dachte sie nicht mehr allzu viel über Betty Thomas nach.
    Ein Jahr zuvor war die alte Schule in der Portobello Road in eine reine Knabenschule umgewandelt und in »Isaac-Newton-Schule« umbenannt worden. Die Mädchen waren in die ziemlich weit entfernte Gesamtschule in Holland Park abgeschoben worden, wo sie und Betty Thomas in eine Klasse kamen.
    So ergab es sich ganz selbstverständlich, dass die Mädchen sich an diesem ersten Tag zusammen auf den langen Nachhauseweg machten. Zuerst gingen sie schweigend nebeneinander her, dann entwickelte sich zögernd ein Gespräch.
    »Die ist ganz in Ordnung, die neue Lehrerin, findest du nicht auch?«, meinte Betty mit ihrer sanften Stimme. »Aber die Themen, die haben wir alle schon vor zwei Jahren in Trinidad durchgenommen.«
    »Wie ist es da eigentlich, in Trinidad?«
    »Warm. So wie heute, aber eher noch wärmer, und das die ganze Zeit. Aber viele Leute dort sind arm, und mein Daddy hat gedacht, er könnte es hier weiter bringen. Jetzt sagt er, wir wären besser zu Hause geblieben.«

    »Möchtest du denn wieder zurückgehen?«
    Betty zuckte mit den Schultern. »Das kann ich ja nicht entscheiden.«
    »Hier gibt es auch viel Schönes«, entgegnete sie. Irgendwie hatte sie das Gefühl, ihre Heimat verteidigen zu müssen. »Und in der Schule wirst du’s leicht haben, wenn du die Themen schon durchgenommen hast.« Es war ein wolkenloser Tag, gerade so heiß, dass der wollene Faltenrock ihrer Schuluniform auf ihren nackten Oberschenkeln kratzte. Je weiter sie gingen, desto mehr kamen sie ins Schwitzen. »Das ist nicht fair, dass die Jungs in der alten Schule bleiben dürfen. Und meine Mutter will mir das Geld für den Bus nicht geben; sie sagt, das wäre Verschwendung, ich hätte schließlich zwei gesunde Beine.«
    »Meine Mutter sagt, ich muss wohl Fieber haben, dass ich überhaupt auf so’ne Idee komme.« Betty verdrehte die Augen, als sie ihre Mutter imitierte, und die beiden Mädchen kicherten.
    Sie fasste Mut und fragte: »Warum willst du zu Hause nie mit mir reden?«
    »Deine Eltern haben was dagegen, dass nebenan Farbige wohnen. Obwohl mein Daddy sagt, die polnischen Juden sind gar nicht die Schlimmsten.«
    »Es ist nicht so, als ob sie was dagegen hätten«, erwiderte sie, hinund hergerissen zwischen ihrer Verlegenheit und dem Wunsch, ihre Eltern zu verteidigen. »Sie haben bloß Angst, dass es Ärger geben könnte, so wie letztes Jahr im Elgin Crescent. Aber ich verstehe eigentlich nicht, was das mit uns zu tun hat.«
    Betty warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Macht es dir denn nichts aus, wenn die anderen Kinder in der Straße nicht mit dir reden?«
    Sie zuckte mit den Schultern und antwortete: »Ich bin es gewohnt, allein zu sein. Und außerdem rede ich sowieso lieber mit dir.«
    Sie gingen eine Weile schweigend weiter. Dann blieb Betty stehen und sah ihr direkt in die Augen, als habe sie eben einen Entschluss gefasst. »Als ich dich das erste Mal gesehen habe, an dem Tag, als wir
hier ankamen, da dachte ich, du siehst aus wie dieses Gemälde von einem Engel in unserer alten Kirche in Trinidad.«
    »Ich? Ein Engel?« So etwas hatte noch niemand zu ihr gesagt. Ihr ovales Gesicht war ganz gewöhnlich; ihr weiches braunes Haar hatte weder einen Blondschimmer noch einen brünetten; und ihre Augen waren zu hell, um schön zu sein. Ein warmes Gefühl breitete sich von ihrer Magengrube aus. »Ich wünschte, ich könnte das Gemälde sehen«, sagte sie sehnsüchtig.
    »Oh, sie ist wunderschön, mit ihrem lieben Gesicht und dem Himmel dahinter, ganz in Blau und Gold. Natürlich weiß ich nicht, ob du so brav sein willst«, fuhr Betty mit einem verschmitzten Lächeln fort. »Oder ob dein Vater und deine Mutter dich in eine katholische Kirche gehen lassen würden.«
    »Nein – weder noch«, antwortete sie lachend.
    »Ich glaube, so nenne ich dich. ›Angel‹. Das passt

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