Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
hätte er sie denn daran hindern sollen?«
»Das habe ich ihr auch gesagt. Warum konnte sie nicht einfach ihre Koffer packen und die Scheidung einreichen? Aber sie meinte, so einfach wäre das alles nicht. Und da habe ich ihr gesagt, sie soll nicht so verdammt materialistisch sein, und dass sie sehr wohl auch ohne Karls Geld auskommen könnte. Sie sah gut aus – sehr gut sogar -, sie war eine intelligente, fähige Frau. Sie konnte jederzeit allein zurechtkommen. Ich habe
ihr sogar gesagt, ich könnte ihr helfen, wieder in ihren alten Job einzusteigen. Wir haben beide bei der BBC gearbeitet, bevor sie Karl kennen lernte, und ich bin immer noch da. Jetzt tut es mir unheimlich Leid, dass ich so mit ihr umgesprungen bin. Ich wusste ja nicht, dass ich sie nie wiedersehen würde.«
»War sie wütend?«
»Nein. Das hätte es leichter gemacht. Aber sie hat immer nur den Kopf geschüttelt und gesagt, ich würde ja nicht verstehen, da gäbe es Dinge, von denen ich nichts wüsste. Es schien fast, als ob sie … Angst hätte. Sie glauben doch nicht … als Sie mich fragten, ob ich denke, dass Karl etwas mit ihrem Tod zu tun haben könnte …«
»Wir haben noch keine Möglichkeit im Zusammenhang mit der Tat ausgeschlossen, aber wir haben ja auch gerade erst angefangen. Was können Sie mir über Mrs. Arrowoods Freund sagen?«
»Nicht viel. Ich weiß, dass er Alex heißt und auf dem Portobello Market Porzellan verkauft. Ich habe ihn nie kennen gelernt.«
»Das ist eine kleine Welt für sich, der Markt. Es dürfte nicht allzu schwer sein, ihn ausfindig zu machen. Wusste er von Mrs. Arrowoods Schwangerschaft?«
»Ich glaube nicht, dass Dawn ihm etwas gesagt hat. Sie hatte ja noch nicht entschieden, was sie tun würde.«
Gemma warf einen Blick auf ihre Uhr und sah, dass es kurz nach zwölf war. Der Markt würde noch in vollem Gang sein, und sie würde wohl keine Probleme haben, Alex’ Porzellanstand zu finden.
Als sie Natalie Caine für ihre Mithilfe dankte und sich von ihr verabschiedete, hielt diese sie mit einer leichten Berührung zurück. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. »Würden Sie mir Bescheid sagen, wenn Sie herausfinden, wer das getan hat? Ich möchte es nicht in den Nachrichten hören.«
»Ich verspreche es Ihnen«, erwiderte Gemma, und sie schwor sich, dass sie ihr Versprechen halten würde.
Bryony stand neben Marc hinter der Theke und füllte heiße Gemüsesuppe in Schüsseln. Er legte Brötchen und einen Apfel dazu, bevor er sie an die hungrigen Menschen weiterreichte, die geduldig in der Suppenküche Schlange standen. »Klienten« war die Bezeichnung, die er vorzog, denn schließlich bot er ihnen eine Dienstleistung an; und außerdem fand er, dass das Wort einen positiveren Klang hatte als »Bedürftige« oder gar »Obdachlose«.
Wie typisch für Marc, dachte sie, dieses feine Gespür für solche Nuancen und für das, was sie für die Selbstachtung dieser Menschen bedeuteten. Hier war er in seinem Element; interessiert hörte er jedem Einzelnen zu und hatte für alle ein freundliches Wort. Und seine Bemühungen kamen bei den »Klienten« an. Vielen ermöglichte er den ersten Schritt zurück in einen geregelten Alltag, aber er hatte auch ebenso viel Geduld mit denjenigen, die nie von der Straße und der kärglichen Existenz, die sie bot, wegkommen würden.
Durch die Glastür konnte Bryony die Menschen sehen, die sich bei ihren Weihnachtseinkäufen bis ans Ende der Portobello Road durchgekämpft hatten und nun die mit Graffiti verzierte Fußgängerzone bevölkerten, die direkt neben der Autobahnbrücke eingerichtet worden war. Marcs Suppenküche war ganz in der Nähe von der alten Portobello School mit ihren separaten Eingängen für Knaben und Mädchen.
»Du bist so still heute«, bemerkte er, als der letzte Essensgast versorgt war, eine alte Frau, die ihm ein seliges, zahnloses Lächeln schenkte. »Ich habe das sichere Gefühl, dass der Andrang samstags immer noch größer ist, wenn du hier bist.«
»Tut mir Leid. Es ist diese Sache mit Dawn Arrowood und Alex.«
»Ich weiß«, erwiderte er ernst. »Ich kann es selbst noch gar
nicht fassen. Aber weißt du, um wen ich mir wirklich Gedanken mache? Um Fern. Die Arme – jetzt glaubt sie wohl, sie könnte wieder bei Alex landen, und ich bezweif le doch sehr, dass es dazu kommen wird. Und ich bin mir auch nicht so sicher, wie überzeugend sie ihr Mitgefühl rüberbringen kann, wenn man bedenkt, wie wütend sie auf Dawn Arrowood
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