Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
Ich kann es einfach immer noch nicht glauben.«
Gemma nahm gegenüber von ihr im Wohnzimmer Platz. Das Zweiersofa und die Sessel mit Samtbezug passten nicht so recht zu dem Sisalteppich und der Rattan-Jalousie, doch der Effekt des Ganzen war nicht unfreundlich, wenn auch etwas unordentlich – ein bisschen wie die Besitzerin. In einer Ecke lief ein Fernseher mit Ton, aber ohne Bild. »Deswegen wollte ich, dass jemand nach dem Fernseher sieht«, erklärte Natalie. »Ich dachte, ich könnte in den Nachrichten etwas Neues erfahren.«
»Hat Sie jemand wegen der Sache mit Dawn Arrowood angerufen?«, fragte Gemma.
»Meine Mutter, heute früh. Sie wusste es von Dawns Mutter. Die arme Joanie … Und Dawn war ein Einzelkind. Im Gegensatz zu mir.« Natalie riskierte ein zaghaftes Lächeln. »Als wir noch klein waren, wollte Dawn immer nur bei uns sein, weil sie den ganzen Trubel liebte, und ich wollte immer bei ihr sein, weil es da ruhig war.«
»Sie kennen sich also schon sehr lange.«
»Seit dem Gymnasium. So sehr Dawn alles hinter sich lassen wollte, was sie irgendwie an Croyden erinnerte, mit mir ist sie in Kontakt geblieben. Auch wenn wir nicht gerade ihre Kategorie waren. Ich meine, Chris und ich, wir leben nicht gerade schlecht, aber Dawns Mann hätte uns ja noch nicht mal auf der Straße gegrüßt!«
»Hatten Mrs. Arrowood und ihr Mann irgendwelche Probleme miteinander?«
Natalie schien die Frage unangenehm zu sein. »Also, ich will ja keine Geschichten in die Welt setzen …«
Ein sicheres Zeichen, dass man ihr nur behutsam auf die Sprünge helfen musste, dachte Gemma. »Er ist viel älter als sie, nicht wahr? Das muss doch zu Problemen geführt haben.«
Natalie schnaubte verächtlich. »Der Ausdruck ›Vorzeigefrau‹ könnte speziell für Dawn erfunden worden sein. Aber anfangs hat sie das nicht sehen können. Es war alles so romantisch. Dieses ganze Gerede von wegen ›Ich hol dich aus diesem Elend raus‹.« Gemma musste ein Lächeln unterdrücken.
»Haben Sie ihr gesagt, wie Sie darüber denken?«
»Es gibt Grenzen, selbst wenn es sich um die beste Freundin handelt … Aber jetzt wünschte ich, ich hätte … ich weiß nicht. Vielleicht hätte ich etwas tun können, irgendetwas ändern.«
»Warum? Glauben Sie, dass Mrs. Arrowoods Mann etwas mit ihrem Tod zu tun haben könnte?«
»O nein! Das habe ich nicht gemeint. Ich wollte bloß sagen, wenn sie nicht mit Karl verheiratet gewesen wäre, dann wäre Dawn nicht dort gewesen, wo sie war. Und dann wäre es nicht passiert.«
»Schon wieder zur falschen Zeit am falschen Ort war«, murmelte Gemma, mehr an sich selbst als an Natalie Caine gewandt. »Ihnen fällt also kein persönliches Motiv ein, weshalb irgendjemand Mrs. Arrowood hätte nach dem Leben trachten können?«
»O nein. Sie war … ein wunderbarer Mensch. Strahlend. Sie hätten sie erleben müssen.« Natalie sah aus, als könne sie jeden Moment wieder die Fassung verlieren.
Mit sanfter Stimme fragte Gemma: »Haben Sie gewusst, dass Ihre Freundin schwanger war?«
Natalie zögerte einen Augenblick, dann sagte sie achselzuckend:
»Ich nehme an, es gibt keinen Grund mehr, irgendwelche Geheimnisse für sich zu behalten, oder? Sie war sich bis gestern nicht sicher. Sie hatte einen Termin bei ihrem Arzt, bevor wir uns zum Tee trafen.«
»Wie hat sie die Nachricht von ihrer Schwangerschaft aufgenommen?«
Wieder spürte Gemma ein Zögern, dann sagte Natalie langsam: »Ich denke, sie hat sich auf das Baby gefreut …«
»Aber?«
»Sie wusste nicht, wie Karl reagieren würde. Er hatte ihr von Anfang an klargemacht, dass er keine Kinder wollte.«
»Das scheint mir ein wenig unfair. Gewiss hätte er die neue Situation akzeptiert. Und er hätte doch auch kaum eine Wahl gehabt, es sei denn, sie hätte in eine Abtreibung eingewilligt?«
»Na ja, es war schon noch ein bisschen komplizierter.« Natalie errötete leicht. »Er hatte sich sterilisieren lassen – das hat er jedenfalls Dawn erzählt.«
Das fehlende Glied in der Indizienkette , dachte Gemma. Ein Liebhaber. Jetzt wurde es allmählich interessant. »Dawn hatte also ein Verhältnis mit einem anderen Mann. War das nur eine flüchtige Affäre oder etwas Ernsteres?«
»Sie hätte sich nie, na ja, Sie wissen schon … von irgendeinem Typen abschleppen lassen.« Natalie schien Dawn verteidigen zu wollen. »Ich glaube, sie hat ihn geliebt. Aber sie sagte, es gebe keine Hoffnung für sie und ihn, denn Karl würde sie niemals gehen lassen.«
»Wie
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