Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
»Ob Sie mir wohl sagen können, wohin Mr. Dunn gegangen ist?«
»Der ist heute Morgen mit Fern Adams abgezogen. Hat entsetzlich ausgesehen, das sage ich Ihnen; die arme Fern hatte alle Mühe, ihn auf den Beinen zu halten. Aber seitdem habe ich von den beiden nichts mehr gesehen.«
»Wer ist Fern Adams? Ist sie eine Freundin von Alex Dunn?«
»Sie verkauft Silber in dem Stand gleich neben Alex. Ferns Familie hat schon seit dem Krieg immer einen Stand oder einen Verkaufswagen auf dem Markt gehabt. Ist in Portobello Courts aufgewachsen. Ein gutes Mädchen, die Fern, auch wenn sie ziemlich merkwürdig rumläuft.« Das natürliche Misstrauen, das von der Freude am Klatsch vorübergehend verdrängt worden war, meldete sich wieder. »Und warum stellen Sie mir eigentlich all diese Fragen, Schätzchen?«
Gemma zog ihren Ausweis hervor. »Reine Routine. Wissen Sie, wo ich Fern Adams jetzt finden kann?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte die Frau und wandte sich einer wartenden Kundin zu. Offenbar regierte jetzt die Vorsicht.
»Kennen Sie sonst irgendjemanden, mit dem ich mich unterhalten könnte?«, hakte Gemma nach. Sie ließ sich nicht so einfach abfertigen. »Freunde von Alex Dunn, die vielleicht wissen, wohin er gegangen ist?«
Mit verdrießlicher Miene wandte die Frau sich wieder Gemma zu. »Sie könnten es mal in Ottos Café versuchen, gleich um die Ecke im Elgin Crescent. Ich weiß, dass Alex da öfter hingeht, und ein paar von den anderen auch.«
Als Gemma sich zum Gehen wandte, überwand die Frau ihren Trotz und rief ihr nach: »Übrigens, es gibt da kein Schild, wo ›Ottos Café‹ draufsteht. So nennen es bloß alle. Sie können es aber nicht verfehlen.«
Gemma erkannte das Café an der vergilbten Speisekarte im Fenster. Als sie die Tür öffnete, schlug ihr ein lebhaftes Stimmengewirr entgegen. Das Café war nahezu voll besetzt mit
Menschen, die sich von ihrem Einkaufsbummel ausruhten oder sich angeregt unterhielten, doch ganz hinten erspähte sie noch einen freien Tisch und eilte darauf zu. Nachdem sie es sich bequem gemacht hatte, bestellte sie bei dem jungen Farbigen, der aus der Küche gekommen war, einen Kaffee. Er lächelte sie an, als er mit ihrem Getränk zurückkam, und als ihre Blicke sich trafen, hatte sie sofort ein Gefühl der Verbundenheit, wie sie es in der Vergangenheit nur wenige Male erlebt hatte. Es hatte nichts Sexuelles; es war rein emotional, vielleicht gar spirituell – so als ob sie einander unter anderen Umständen schon einmal begegnet wären.
»Wie heißen Sie?«, fragte sie ihn, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.
»Wesley Howard.«
»Ich bin Gemma James. Ich habe gehört, dass Alex Dunn öfter hierher kommt. Kennen Sie ihn?«
Wesleys Lächeln verschwand. »Klar kenne ich Alex.« Er sprach mit einem leichten westindischen Akzent. »Was wollen Sie denn von ihm?« Als sie ihm ihren Dienstausweis zeigte, starrte er sie verblüfft an. »Sie sind von der Polente? Das hätte ich Ihnen nie zugetraut. Aber Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was Sie von Alex wollen.«
»Wir möchten uns mit allen Personen unterhalten, die Dawn Arrowood gut gekannt haben.«
»Ich wüsste nicht, dass ich je einer Dawn Arrowood begegnet wäre.« Er war kein sehr überzeugender Lügner.
»Alex Dunn hatte ein Verhältnis mit ihr, und wenn Sie sein Freund sind, glaube ich Ihnen keine Sekunde lang, dass Sie nichts davon gewusst haben.«
»Und wenn schon, na und?«
»Sie wurde gestern Abend ermordet, und ich glaube nicht, dass diese Nachricht noch nicht die Runde gemacht hat.«
»Sie wollen doch nicht behaupten, dass Alex irgendwas mit dem Mord an ihr zu tun hatte?«
»Wieso? Glauben Sie das denn?«
Der junge Mann schüttelte so energisch den Kopf, dass seine Rastalocken hin und her logen. »Mann, Alex hätte Mrs. Arrowood doch nie ein Haar gekrümmt. Er war verrückt nach ihr.«
Ein kräftiger, glatzköpfiger Mann mit einer weißen Schürze tauchte aus der Küche auf und kam mit besorgter Miene auf sie zu. »Gibt es ein Problem, Wesley?«
»Sie ist von der Polente, Otto. Ich hab ihr nur gesagt, dass Alex Mrs. Arrowood nie was zuleide getan hätte.«
»Ich bin Otto Popov. Was kann ich für Sie tun?«
»Kannten Sie Dawn Arrowood, Mr. Popov?«
Während Wesley sich entschuldigte, weil er Kunden zu bedienen hatte, nahm Otto Popov auf einem Stuhl Platz. »Ich habe sie ein paar Mal gesehen – eine bezaubernde Frau, wirklich -, aber nein, persönlich gekannt
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