Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
geradezu davon getränkt gewesen sein, wenn er hinter Dawn gestanden hat, nicht wahr?«
»Und er hatte die Kapuze hochgezogen, um sein Gesicht zu verbergen. Konnte diese Miss Granger seine Kleidung beschreiben?«
»Normale Joggingsachen; ein dunkler Trainingsanzug aus Nylon.«
»Haben Sie eine komplette Aussage aufgenommen?«
»Ich fahre jetzt gleich selbst zu ihrer Wohnung. Boss, ist Karl Arrowood damit aus dem Schneider?«
Sie waren davon ausgegangen, dass Arrowood, falls er der Mörder seiner Frau war, in seiner eigenen Einfahrt geparkt hatte, Dawn getötet und anschließend die Polizei angerufen hatte. Aber wenn er nun woanders geparkt und seine Joggingsachen angezogen hatte, zum Haus gelaufen war und dort auf seine Frau gewartet hatte? Nach dem Mord hätte er dann zum Wagen zurücklaufen und die Waffe beseitigen müssen, bevor er zum Haus zurückgekehrt war, um die Polizei anzurufen – und das alles innerhalb der wenigen Minuten, die ihm die Fahrt durch den Feierabendverkehr von der Tower Bridge nach Notting Hill gelassen hatte. Nicht besonders plausibel – genauer gesagt, verdammt unwahrscheinlich.
»Ich denke schon«, erwiderte Gemma finster. »Es sei denn, er ist Superman.«
Inzwischen war es Abend geworden, und Gemma war froh, sich ein wenig in der frei stehenden Email-Badewanne, dem Glanzstück ihres neuen Badezimmers, entspannen zu können, und sie hatte absolut nichts dagegen, die Umzugskisten für eine Weile zu vergessen und sich einem kultivierten Dinner zu widmen. Für die Jungs hatten sie Pizza bestellt – in den Augen der beiden ganz offenbar ein königliches Vergnügen. Und sie hatten Kit versichert, dass er sie jederzeit über Handy erreichen konnte.
»Hast du Cullens Freundin schon mal kennen gelernt?«, fragte Gemma Kincaid, als sie in Richtung Victoria fuhren. »Und wie kommt sie eigentlich zu einer Wohnung in Belgravia?«
»Ich glaube, Doug hat gesagt, dass das Haus ihrem Vater gehört.«
»Oh, wie reizend.«
Kincaid schnaubte missbilligend. »Das zeigt wieder mal deine Vorurteile. Ich bin sicher, dass sie total nett ist. Doug sagt, dass sie bei einem Einrichtungshaus arbeitet.«
»Umso schlimmer«, murmelte Gemma.
Aber als sie in der Ebury Street ankamen, musste sie feststellen, dass die bevorstehende Begegnung mit Doug Cullen sie in der Tat ein wenig nervös machte. »Wie ist er eigentlich so?«, fragte sie und hakte sich bei Kincaid ein, als sie die Treppe zu der Wohnung im ersten Stock hochgingen.
»Ist’n netter Kerl. Mach dir keine Gedanken, du wirst ihn mögen.«
Und das tat sie auch, gleich auf den ersten Blick. Cullen strahlte eine Art ungebrochene Naivität aus; sein frisches, rosiges Schulbubengesicht wirkte nur unwesentlich strenger durch die Nickelbrille, die er immer wieder hochschieben musste.
Wenn Cullen angenehm normal wirkte, so bildete Stella Fairchild-Priestly einen deutlichen Kontrast zu ihm, mit ihrem kurzen pinkfarbenen Angora-Top und ihren schwarzen Caprihosen, die ihren strassverzierten Nabel sehen ließen – jedenfalls nahm Gemma an, dass die funkelnden Steine Strass waren. Das helle Haar der jungen Frau war aufwändig gestylt, ihr Make-up wirkte wie frisch aus dem Schönheitssalon, und das mattierte Rosa ihres Nagellacks passte genau zu ihrem Top. »Hi, ich bin Stella«, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln, und Gemma kam sich augenblicklich fett, unattraktiv und uralt vor.
Nichts hätte besser geeignet sein können, Gemmas Unbehagen noch zu steigern, als die Tatsache, dass sie gezwungen war, um Mineralwasser zu bitten, während alle anderen Martinis tranken. Stella hatte ein Tablett mit Drinks vorbereitet, und während die anderen angeregt über die Vor- und Nachteile von Oliven und die alte Streitfrage »gerührt oder geschüttelt« diskutierten, sah Gemma sich in dem Wohnzimmer
um, für das ihr sofort die Bezeichnung »Fünfziger-Jahre-Chic« einf iel.
Zwei gläserne Doppeltüren führten von dem Zimmer auf einen Balkon mit Blick auf die Ebury Street. Dort standen Ziersträucher, die Stella mit Lichterketten geschmückt hatte. Durch die Spiegel, die an der gegenüberliegenden Wand hingen, wurde das Licht reflektiert und verlieh den langen, niedrigen Formen der Möbel einen besonderen Glanz.
Der Esstisch, den Stella im rückwärtigen Teil des Zimmers gedeckt hatte, strahlte in Silber und frisch gestärktem weißem Leinen, und als Gemma näher trat, sah sie, dass es sogar winzige silberne Platzkartenhalter gab. »Wahnsinn«,
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