Der Rache Suesser Klang
zusammengekauert und voller Furcht im Kofferraum einer Fremden verbracht, ohne dass es sie in irgendeiner Hinsicht weitergebracht hätte. Jane richtete noch immer die Waffe auf sie. Und Jane hatte noch immer Erik, wer immer er war.
Jane würde sie töten.
Ich habe schon einiges durchgemacht. Ich bin in Winters’ Händen beinahe gestorben. Und bevor das alles vorbei ist, wird Jane mich umbringen.
Irgendwie war dieses Wissen ihr ein Trost. Denn sie hatte nichts mehr zu befürchten.
»Nein, ich erwarte nicht, dass du mir sagst, warum du Erik entführt hast«, antwortete Evie ruhig. »Ich weiß, dass du mich umbringen wirst. Ich würde nur gern wissen, warum du das nicht schon im Hanover House getan hast. Wie mit Sandy.«
Jane betrachtete sie nachdenklich. »Du benimmst dich ziemlich cool. Respekt dafür. Wenn es so weit ist, mache ich es so schmerzlos wie möglich.«
Evie neigte den Kopf. »Ich weiß es zu schätzen. Wirst du Erik auch umbringen?«
Jane sah sie amüsiert an. »Nicht direkt, nein.«
Evies Hand verharrte auf Eriks Kopf. Ihre Gedanken arbeiteten, suchten nach einer Möglichkeit, dieses Kind in Sicherheit zu bringen, wenn sie schon nichts anderes erreichen konnte. »Wirst du es für ihn auch so schmerzlos wie möglich machen?«
Jane zog eine Braue hoch. »Das hängt vom Verhalten einer anderen Person ab.«
»Warum also bin ich noch am Leben, Jane?«
»Weil Dana Dupinsky neben ihrem Frauenhaus an nur zwei Dingen hängt, und das sind Caroline und du. Um Caroline wurde sich bereits gekümmert. Dupinsky ist die Nächste.«
Evie sog scharf die Luft ein. Also war es gar nicht Goodman gewesen. Eine riesige Last rutschte von ihren Schultern. Seit zwei Tagen wurde sie von Schuld zerfressen. Sie hatte geglaubt, sie hätte Goodman zu Caroline geführt, weil sie auf dem Begräbnis gewesen war. »Also soll ich das Werkzeug deiner Rache sein.«
Jane lächelte. »Eines, ja. Und nun leg deine Hände zusammen, so dass ich sie fesseln kann. Ich muss weg und kann nicht zulassen, dass du irgendetwas Heldenhaftes anstellst, während ich weg bin. Und freu dich nicht zu früh – ich werde den Jungen noch einmal festzurren. Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass man Dinge selbst erledigen muss, wenn man will, dass sie richtig getan werden.«
Chicago
Mittwoch, 4. August, 18.15 Uhr
Langsam erhob Stan sich und starrte Randi ungläubig an. »Was hast du da gesagt?«
Randi sog zittrig die Luft ein. »Sie heißt Sue Conway. Sie ist Alecs Mutter.«
Ethan schüttelte den Kopf. Er verstand rein gar nichts. »Du meinst, du hast ihn adoptiert?«
Randi schloss die Augen. »Nein. Ich habe ihn mir genommen.«
Das Schweigen im Zimmer war absolut. Dann ließ Stan sich auf den Stuhl fallen. »Vielleicht solltest du es uns erklären, Randi«, sagte er beißend. »So dass außer Frage steht, wer hier Schuld hat.«
»Halten Sie die Klappe, Stan.« Clays Tonfall duldete keinen Widerspruch. Stan hielt die Klappe.
Ethan ließ sich neben Dana auf einen Stuhl fallen. Er war erschüttert. »Wer ist Sue Conway?«
Randi schlug die Augen auf und sah Ethan an, als sei er ihr Rettungsanker. »Ich bin hier aufgewachsen, in Chicago. Nicht weit vom Lincoln Park entfernt. Meine Eltern waren nette Leute. Wir wohnten in einer netten Gegend. Unsere Nachbarn hießen Lewis. Sie hatten keine eigenen Kinder, bis eines Tages Nichte und Neffe bei ihnen einzogen. Sue war damals zwölf oder dreizehn, Bryce kann nicht älter als zwei oder drei gewesen sein. Ich war sechzehn. Ich habe oft auf die Kinder aufgepasst, wenn die Lewis’ am Samstag weg wollten. Sues und Bryces Eltern waren tot. Es ging das Gerücht, dass der Vater bei einem Raubüberfall getötet worden war. Er wollte ein Geschäft ausrauben.«
»Erspar uns die Einzelheiten«, knurrte Stan. »Rede weiter.«
»Seien Sie endlich still, Stan«, murmelte Clay. »Bitte.«
Aus dem Augenwinkel sah Ethan, wie Dana nacheinander jedes Gesicht genau musterte, den Ausdruck in sich aufnahm und Schlussfolgerungen zog, und er war zutiefst froh, dass sie an seiner Seite war. In diesem Augenblick fühlte er sich weder ruhig noch vernünftig. In diesem Augenblick fühlte er sich, als ob sein Leben an einem Endpunkt angelangt war.
»Weiter, Randi«, sagte er sanft und nickte Randi zu.
»Ein paar Monate nachdem Sue und Bryce eingezogen waren, bat Mr. Lewis mich, von jetzt an jeden Tag nach der Schule die Kinder zu hüten, bis er und Mrs. Lewis von der Arbeit nach Hause kommen würden.« Randi
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