Der Rache Suesser Klang
das, was wir finden, zu untersuchen.«
»Und wann kriegen wir ein Ergebnis?«
»In zwei, drei Tagen. Vielleicht vier.«
»Dieser Jemand, den du hinzugezogen hast – kann man ihm trauen?«
»Bisher konnte ich ihr immer trauen.«
Eine Sie. Aha. »Eine alte Flamme?«
»Eher ein Fünkchen. Aber keine negativen Gefühle, daher macht sie das durchaus gern für mich.«
»Und das Gewehr im Schuppen bringt uns nichts?«
»Nichts, was ich sehen kann, ohne etwas zu bewegen. Vaughn muss die Polizei rufen, Ethan. Und zwar heute noch. Die Leiche verwest. Niemand wird ihm glauben, dass er sie gerade entdeckt hat.«
Stan hätte es bereits gestern melden sollen. Ethan spürte, wie Ärger in ihm aufstieg. »Sag ihm das. Und wenn er daraufhin nicht reagiert, dann mach es selbst. Anonym.« Das gehörte zu ihrer Abmachung. Stan musste MacMillans Leiche den Behörden melden. Der junge Mann war ermordet worden. Er verdiente etwas Besseres, als ins Meer geworfen zu werden.
»Vielleicht findet der Leichenbeschauer ja etwas«, murmelte Clay. »Wir könnten eine heiße Spur gebrauchen.«
»Wenn ich mich recht entsinne, ist der Leichenbeschauer ein ehemaliger Gerichtsmediziner aus Baltimore. Ein cleverer alter Kerl. Er wird bestimmt etwas finden.« Ethan richtete sich mit beträchtlichen Schwierigkeiten auf. Der Wachmann kam wieder auf ihn zu. »Ich muss Schluss machen. Ich rufe dich später wieder an.«
»Ethan, sieh zu, dass du Schlaf kriegst.« Clay zögerte. »Ist alles okay mit dir?«
Ethan stieß ungeduldig den Atem aus. »Keine Vorfälle, Clay. Nichts. Nada. Bis dann.« Er zwang sich zu einer entspannten Miene und wandte sich dem milchgesichtigen Wachmann zu.
»Tut mir leid, Mr. Buchanan«, sagte der. »Der Nachtmanager und ich sind beide neu hier. Er sagt, Sie müssen noch einmal kommen, wenn der Security Manager hier ist.«
Ethan rieb sich den verspannten Nacken, sowohl frustriert als auch dankbar für die erzwungene Pause. Damit würde er der Frau, die Alec hatte, nur noch einen größeren Vorsprung verschaffen. Tatsächlich konnten sie überall sein. Aber er war so müde. Er würde die Zeit nutzen, um etwas zu essen und sich ein Hotelzimmer zu nehmen. »Um wie viel Uhr kommt der Mann ungefähr?«
»Normalerweise nach neun, aber sein Sohn hat heute ein Baseball-Spiel, also wird es wohl Mittag werden. Vielleicht wollen Sie …« Der Wachmann wirbelte herum, als ein Schrei durch den Bahnhof gellte. Er griff nach seiner Waffe und bewegte sich auf den Lärm zu.
Die eigene Waffe sicher im Holster an seinen Nieren verstaut, folgte Ethan ihm hastig. Ein plötzlicher Adrenalinschub trieb ihn voran. Eine Frau Anfang dreißig lag neben einer der Metallbänke am Boden. Ein dünnes Rinnsal Blut rann aus ihrer Schläfe und sickerte in ihr kupferrotes, kurzes Haar.
Eine alte Frau hatte zu jammern begonnen, während eine Handvoll schockierter Reisender stumm zu einem Ausgang deutete. Der Wachmann nahm die Verfolgung auf, während er in sein Funkgerät sprach.
»Sie ist tot, sie ist tot«, weinte die alte Frau. »Er hat sie umgebracht, und ich bin schuld daran.«
Ethan ließ sich neben der Frau auf die Knie sinken. Nahm ihr Handgelenk und atmete erleichtert aus, als er das gleichmäßige Pochen ihres Pulses spürte. Er hatte gerade sein Handy herausgeholt, um Hilfe zu rufen, als sie die Augen aufschlug.
Große braune Augen, die verwirrt und alarmiert flackerten, als sie ihn sah, doch dann legte sich die Verwirrung, und sie musterte ihn wachsam, sein Gesicht, seine Augen. Nachdem sie offenbar zu dem Schluss gekommen war, dass hier keine weitere Gefahr drohte, schien sie … sich einfach zu beruhigen.
Und unglaublicherweise tat er das auch. Alles in ihm, der Aufruhr der Gefühle, die Verwirrung, die Furcht … alles ließ nach, ebbte ab. Es war, als hätte sie ihm eine tröstende Hand aufgelegt, obwohl sie die ganze Zeit keinen Muskel bewegt hatte.
Er auch nicht. Noch hatte er geatmet, wie ihm jetzt auffiel. Er holte Luft, als sie sich langsam streckte und mit einer Hand ihren Rock herabzog, so dass sich sein Blick unwillkürlich auf ihre langen, wohlgeformten Beine richtete.
»Sagen Sie ihr, dass ich nicht tot bin.« Ihre Stimme war weich und etwas rau, als sei sie aus einem tiefen Schlaf erwacht, und er ließ seinen Blick wieder aufwärtswandern, die langen Tänzerinnenbeine hinauf, an den kurvigen Hüften, den üppigen Brüsten vorbei und zurück zu den warmen braunen Augen, die ihn ansahen. Und erst als sie begann,
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